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TRACTAT DES M.
FRANCESCO
B O CCHI etc.
nicht weniger feststellen, dass der Ausdruck bei Statuen als
eine sehr edle und sehr wichtige Eigenschaft zu betrachten ist.
Ist es doch Thatsache, dass, wenn ein berühmter und tüchtiger
Mensch sich in Gegenden befindet, wo er, seinem Aeussern
nach, nie gesehen wurde, er dennoch von Allen als solcher er-
kannt und bewundert wird, da sich seine Vorzüge und Eigen-
schaften in der Persönlichkeit derart ausdrücken, dass dessen
Inneres selbst von den Augen Derjenigen erfasst wird, die sein
Leben und seine Sitten nur vom Hörensagen kannten. Daher
sagt Virgilius, indem er von Aeneas, der ein gewinnendes
Aeussere besass, spricht, dass Dido, als er vor derselben erschien,
von seinem Anblicke sogleich betroffen ward und voll Bewun-
derung war, da sie ihn im Gedanken augenblicklich nach dem
Aeusseren so beurtheilte, wie er wirklich war. Ebenso erzählt
Titus Livius, dass, als die zwei tapferen Heerführer Scipio und
Hannibal, die sich früher nur durch den Ruf ihrer tapferen
Thaten gekannt hatten, vor ihren Heeren zum Parlamentiren
zusammentrafen, vor Beginn der Verhandlungen, sich gegen-
seitig bewundernd, gleichsam vor Staunen und Ergriffenheit
einige Zeit schweigsam verblieben. Da sie einander früher nur
durch viele Kriegsereignisse und viele Waffenthaten bekannt
worden waren, wurden Beide, da sie nun von Gesicht zu Ge-
sicht ihre Persönlichkeit gegenseitig erblickten, durch die Ein-
sicht, dass Jeder von ihnen den Stempel der gekannten Helden-
thaten an sich trug, derart von Staunen erfasst, dass es Noth
that, vor der gewünschten Besprechung eine Pause eintreten
zu lassen.
Da es nun in längstvergangenen Zeiten Männer gab, die
im Leben durch Vorzüge Alle überragten, wie Alexander der
Grosse, Caesar, Pompejus, Scipio, und vor nicht langer Zeit der
grosse Gonzalvo, der hochherrliche Lorenzo von Medicis, Car-
dinal Bembo; Andere wieder, die, von der gewöhnlichen Lebens-
weise nicht abweichend, ein mittelmässiges Dasein führten, und
endlich Solche, die, ohne Vorzüge, hinter den Anderen zurück-
blieben, so wurden Dichter, Maler und Bildhauer von jeher
veranlasst, diese drei Menschengattungen möglichst genau und
sorgsam zur Darstellung zu bringen. Jene Künstler aber, Welche
die bessere Gattung mit der dem Dichter eigenen Imitations-