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TRACTAT DES M.
FRANCESCO BOCCI-II etc.
was der Künstler vorbringen und was er vermeiden will. Er
verleiht in wunderbarer Weise dem Aeusseren den Stempel
des menschlichen Antlitzes, belebt es und charakterisirt es der-
art, dass es nicht anders als wie beim Menschen sein kann,
und sich als Das, wenn nicht durch Worte, doch wenigstens
durch seine Physiognomie gebe.
Es waltet kein Zweifel darüber, dass die Leidenschaften
der Seele vielfach auf den menschlichen Körper einwirken, und
dass sie oft, genau wie sie sind, in der äusseren Erscheinung
sich verkünden, so zwar, dass sie, auf dem Fleische ausgeprägt,
die Nacht und Dunkelheit unserer Gedanken, wenn man genau
aufmerkt, beleuchten, und das innere Gemüth, wie mit einem
Finger, bezeichnen. Dies kann man alle Tage beobachten; denn
Derjenige, der kurz vorher noch von Zorn und Kraft geröthet war.
erscheint kurz darauf bei einer Gefahr, wo er um sein Leben fürch-
ten muss, ganz scheu und mit blasser Stirne. Hier diese Antlitze
zeigen uns bald den Ausdruck der Klugheit, bald den Ausdruck der
Grossmuth, bald auch, wie es oft vorkommt, jenen des Gegentheils.
Es ist der Ausdruck ein fester Vorsatz, welcher, durch die Natur
erweckt, von ihr frei gehandhabt und, da er in unserem Ge-
müthe wurzelt, zur stetigen Gewohnheit gemacht wird, so zwar,
dass er bald die Lebenseigenthümlichkeit im Menschen bildet,
so wie man beispielsweise von Jemandem sagt, dass er sittlich
oder unsittlich sei. . . Obwohl indessen der Ausdruck im Men-
schen durch Verschiedenes zum Vorschein gelangen kann, so haben
wir nur von Dem zu sprechen, was dieses Ziel am entschieden-
sten und ganz besonders fördert, nämlich: von der Gesichts-
bildung. Gleichzeitig muss hier bemerkt werden, dass, nachdem
als Ausdrucksarten das Wiedergeben alles dessen zu gelten hat,
was das Wesen des menschlichen Lebens ausmacht, oder was
sich in unserem Gemüthe dahin gestaltet; und nachdem Malerei
und Sculptur bestrebt sind, die im menschlichen Gesichte vor-
handenen Spuren jener Ausdrucksarten, nicht aber diese selbst
zu imitiren, auch wir, nach dem Vorgange des Philosophen,
als Ausdrucksarten nicht blos jene Spuren und Zeichen, son-
dern auch die lmitirungen derselben, welche von Gemälden
und Sculpturen vorgeführt werden, bezeichnen wollen. Diese
Spuren und Zeichen enthüllen also unser Gemüth und unsere