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DAS LEBEN DONATELLUS.
aber, da es ihrer so viele waren, nicht sehr beachtete. Das
Werk jedoch, das ihm einen Namen machte und seine Bedeu-
tung offenbarte, war eine Ve rkün di gu ng von Sandstein, welche
in Sta. Croce zu Florenz auf dem Altar der Capelle Cavalcanti
angebracht ward. Er versah dieselbe mit Grotesque-Ornamenten,
mit einem reichen Sockel von schön geschwungenen Profilen
und mit einem Lünettenabschluss, dem er sechs festonhaltende
Putten beifügte. Dieselben umarmen sich untereinander, als
wollten sie, aus Furcht vor der Höhe, sich schützen. Aber be-
sonders in der Figur der Jungfrau entfaltete er viel Geist und
Kunst; erschrocken über des Engels plötzliches Erscheinen, ver-
neigt sie sich in schüchterner Sanftmttth zu einer ehrerbietigen
Huldigung, indem sie sich mit der schönsten Anmuth nach dem
sie begrüssenden Engel umwentiet, so dass man in ihrem Ant-
litz jene Demuth und Dankbarkeit wahrnimmt, welche dem
Geber einer unerwarteten Gabe geschuldet werden, und umso-
mehr, je grösser diese ist. Ausserdem zeigte Donato in der Ge-
wandung der Madonna und des Engels einen schönen Wurf
und meisterhafte Falten; und in der Hervorstichung der nack-
ten Theile der Figuren bewies er, wie er die Schönheit der
Antike, die seit so vielen Jahren verborgen geblieben, wieder
zu entdecken bemüht war; er legte eine so grosse Gewandtheit
und Künstlerschaft in diesem Werke an den Tag, dass man
von der Zeichenkunst und dem guten Geschmack, vom Meissel
und der technischen Fertigkeit überhaupt nicht mehr verlangen
kann. rlmn derselben Kirche, im Querschiff, neben den Fresken
idkevsurfladdeo Gaddi, ist ein Cruciiix von ihm, das er mit ausset-
ordentlichem Fleiss ausführte. Als er es vollendet hatte, zeigte
er es, im Glauben, etwas ganz Ungewöhnliches vollbracht zu
haben, seinem guten Freund Filippo di Ser Bruncllesco, um
dessen Ansicht darüber zu hören. Philipp, der nach den Worten
Donato's etwas weit Besseres zu sehen hoffte, lächelte ein
wenig, als er es sah. Als Donato das bemerkte, bat er ihn
bei seiner Freundschaft, ihm seine Meinung zu sagen, worauf
Filippo, der sehr freimüthig war, ihm zintwortete: es schiene
ihm, er hätte einen Bauer an's Kreuz geheftet und nicht einen
dem Christus ähnlichen Leichnam, welcher sehr zart gebaut
und in allen Theilen der vollkommenste Mensch gewesen sei,