BEMALTE
SCULPTUREN DONATELLUS.
147
lenens. Aber man betrachte anderseits die nicht trocken ge-
lehrte sondern lebendig empfundene anatomische Trefflich-
keit dieser Glieder. Und selbst die Bewegung, mit der diese
steifen Beine schreiten, drückt Adel aus. Das Haar, Welches ge-
wandäihnlich den abgezehrten Leib umhüllt, ist bei möglichst
lebendiger Nachahmung der Natur zugleich trefflich ornamental
stylisirt. Das hagere, von edlem Schmerz zerrissene Antlitz ist
gen Himmel gewandt; es besitzt eine wahrhaft dämonische Kraft,
die von den kühnsten Linien und den wirkungsvollsten Etfecten
unterstützt ist. Die im Gebet gefalteten Hände drücken eine
grosse Innigkeit aus. Kurz, die Charakteristik der abgehärmten,
büssenden Sünderin von ursprünglich edler Gemüthsart könnte
nicht energischer und poetisch ergreifender gegeben sein. Der
Poesie des Ausdrucks muss bei Donatello selbst die glatte, ein-
schmeichelnde Form Platz machen, die in der That, wo sie nicht
dem poetischen Grundgedanken entspricht, nur Manierirtheit ist.
Man könnte Donatello in gewisser Hinsicht den Wagner der
Sculptur nennen; wie dieser es verschmäht, durch ohrengefällige
Arien und Triller den wahren und ergreifenden Ausdruck der
im Stoff liegenden und vorn Stoff geforderten Empfindung und
Leidenschaft zu beeinträchtigen und zu verdrängen, so behan-
delt auch Donatello stets die Form nur als Ausdrucksmittel
und sichtbare Erscheinung ja nicht etwa eines abstracten,
reflectirten Gedankens, was schnurstracks seinem Princip zu-
wider wäre sondern eines bestimmt gearteten und beding-
ten, von bestimmten Empfindungen, Leidenschaften, Absichten
erfüllten Seelenwesens. In Bezug auf Donatellds Auffassung und
Darstellung religiöser Figuren lässt er sich, wie wir schon andeu-
teten, auch mit David Strauss vergleichen. Er streift das Trans-
Cendentale, Mystische, Süsslich-weiche, das ihnen der gothische
Idealismus gegeben, ab; er verwandelt die legendarischen, halb
übstracten Wesen in begeisterte, entsagende, sich kasteiende,
leidende Menschen. Die Figuren sind ihm nicht, sozusagen,
Symbole der religiösen Ideen, sondern sie sind ihm davon er-
füllte, erregte und dafür leidende Menschen. "S
Donatello's Magdalena fand ihre Aufstellung in einer
Nische zwischen dem südlichen und östlichen Portal des Bap-
fisteriums, wo sie jetzt noch steht. Doch veränderte sie mehr-
10"