BEMALTE SCULPTUREN DONATELLOS.
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ihm eintrat. „Was sollen wir denn essen, Wenn Du Alles auf
den Boden wirfst?" „Ich für meinen Theil habe heute ge-
nug," entgegnete Donatello, "nimm Du, wenn Du willst, das
Deinige, aber ja nicht mehr. Von nun an aber musst Du die
Christusiiguren und ich die Bauern machen."
Donatello zeigte mit diesem Ausspruch, wie bescheiden er
gegenüber dem Urtheil Sachverständiger war und wie gern er
begründete Kritiken annahm. Sagte er doch später, als er nach
langer Abwesenheit in Padua wieder nach Florenz zurückkam:
"Gottlob, dass ich unter den Fröschen von Padua nicht ge-
storben bin, woran nicht viel fehlte, sie ermüden mit ihrer Be-
wunderung; die Florentiner bekritteln Alles, aber dabei kommt
man vorwärtsÜnü
Brunellescds Ausspruch ist begründet, insofern in dieser
Figur des Donatello allerdings ein derber Realismus zum Aus-
druck gekommen ist. Der Christus zeigt eine gedrungene, kräf-
tige Gestalt mit fast krummen, stämmigen Beinen. Der Kopf
jedoch offenbart ein meisterhaftes Studium nach dem Leben
und ist voll gewaltigen Ausdrucks. Es spricht sich darin
allerdings eher Trotz und stolze, fast wilde Verachtung statt
der sanften Ergebung aus. Erschütternd tritt- der Todesschauer
darin zu Tage. Mit Widerstreben hat sich soeben der letzte
Athemzug aus dem schmerzverzogenen Munde hervorgezwängt.
Verworren und blutig hängt das Haar über das Gesicht, ver-
finstert sind die Augen, ausgehöhlt die Wangen. Aber es ist
doch nicht nur die pathologische Wahrheit und Gewalt der
Mimik, die uns darin ergreift. Eine Wahrhaft landschaftliche
düstere Stimmung liegt über der ganzen Figur ausgebreitet;
sie allein versetzt schon den Beschauer auf den einsamen
Schädelberg, in das schwarze, wilde Wetter, das beim Schluss
dieser Welttragödie die Natur erschreckte. Ja, Realismus
herrscht hier im höchsten Grade; realistisch sind die derben
Formen, realistisch die erschütternde, traigsche Lebenstiefe;
die Figur ist so realistisch, dass sich Donatello dabei ganz von
der hergebrachten, zarten Behandlung des Christus entfernte,
und vielmehr die Leiden des Heilands als ein Sinnbild für das
allgemeine Leiden der Menschheit, den Tod, behandelt-
Der Christus des Donatello enthält die trotzige Frage: "W38
Quellenschriften f. Kunstgesch. IX. I0