D ONATE LL O ALS REALIST
UN D MALER.
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plastisch und bestimmt ausgeführt. Falten und Umrisse sind
scharf und entschieden angegeben, ohne hart zu sein, die
grössten Schatten sind sehr sparsam und mässig vertheilt, die
Lichter aufgesetzt. Eine so meisterhafte Leichtigkeit der
Hand und ein so bewusstes Betonen des Charakteristischen ist
darin ausgeprägt, dass der Kopf trotz der einfachen Mittel nicht
blos rund wie Sculptur herausspringt, sondern auch mit seiner
Seele unmittelbar zu uns spricht. „Favella, favella fin che ti viene
il Cacasangue!" kann man auch hier mit vollem Rechte ausrufen.
Pomponius Gauricus erzählt uns mehrere Anekdoten, die
sowohl den Werth, den Donatello auf's Zeichnen legte, wie
auch seine Meisterschaft darin veranschaulichen. Seinen Schülern
pflegte er nach jenem Schriftsteller öfter zu sagen, er könne
das ganze Wesen der Kunst in einem Worte zusammenfassen:
"Zeichnet", und das sei in der That der Gipfel und die Grund-
lage aller Sculptur. Ferner erzählt er, es sei einst M. Balbo,
ein vornehmer Mann, zu ihm gekommen und habe ihn um
seine ZGlClJCHSClIEIblODG befragt. Donatello erwiderte: „lch
habe keine, als die ich beständig mit mir herumtrage, ohne
Last und Mühe, und die nur ich sehen kann. Wenn Du den-
noch etwas davon zu sehen wünschest, so sollen mir meine
Burschen Bleistift und Papier bringen. Sogleich wirst Du jede
beliebige Geschichte, Männer im Pallium, in der Toga oder
nackt bewundern können, die ich meiner Zeichenschablone ent-
locke." '13
Dass Donatello als vortrelflicher Zeichner auch der Malerei
nicht fremd blieb, ist crklärlich, zumal wenn man die damali-
gen Verhältnisse berücksichtigt, wo die Grenzen der Schwester-
künste noch nicht so streng und pedantisch abgesteckt waren,
wie heute, sondern wo ein Künstler fast stets mehrere Gebiete
der zeichnenden Künste zu beherrschen pflegte. Warum? Nicht
etwa aus Dilettantismus, sondern weil das echte, wahre Styl-
gefühl für den harmonischen Zusammenhang der Künste noch
nicht verloren gegangen war, vielmehr im Princip, selbst durch
das barbarische Altchristenthunl hindurch, von der Antike bis
zur Renaissance sich vererbt hatte. In der Frührenaissemce kam
es noch einmal zur letzten vollen Geltung, um allmälig unter
dem doctrinäiren Dünkel der entstehenden Akademien mehr und