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Plätzen und Gebäuden, vom mittleren Domportal aus gesehen
in Farben dar. Um seine Freunde von der Wichtigkeit seine
neuentdeckten Darstellungsweise zu überzeugen, verfuhr er fol
gendermassen. Er bohrte ein Loch in den Augenpunkt des au
Holz aufgetragenen Bildes, welches er trichterförmig gegen dir
Rückseite desselben hin erweiterte. Dann stellte er das Bild in
Verhältniss zu seiner Grösse in dieselbe Entfernung von einen
Spiegel, als sein Auge sich vom Augenpunkt entfernt befundet
hatte. Dann liess er seine Freunde durch das Loch in der
Spiegel blicken, wo diese zu ihrer höchsten Ueberraschung eir
vollkommen plastisches Bild der dargestellten Gegenstände er-
blickten. In ähnlicher Weise nahm Brunellesco die Piazza dellz
Signoria mit den anstossenden Gebäuden aufJW
Ghiberti's malerische Figurengruppirung stufenweise bis ZUIT
Horizont hinauf, seine perspectivische Behandlung der Land-
schaft und der reichen, architektonischen Hintergründe (Eigen-
schaften "seiner zweiten Broncethüre) lassen sich nicht blos aus
seiner malerischen Anlage erklären, sondern sind ganz undenk-
bar ohne Brunellescds Anstoss, ohne welchen Ghiberti wahr-
scheinlich auch an seiner zweiten wie an der ersten Bronce-
thüre nicht nur im Einzelnen, sondern auch in der ganzen Com-
positionsweise Andrea Pisands Styl als Vorbild beibehalten
hätte. ln Betracht des Umstandes allerdings, dass Ghiberti durch
die Perspective sich zu Stylwidrigkeiten verleiten liess, wäre sein
Stillstand beiAndrea Pisano vortheilhafter für die stylistische Ent-
wicklung des Reliefs in der Folgezeit gewesen. Denn Ghiberti's
bühnenähnliche Behandlung des Reliefs, wo die vordersten
Figuren nicht nur am grössten sind, sondern auch hoch her-
ausspringen, während die entfernteren flach gehalten sind,
führte in den Nachahmungen der Folgezeit zu Plumpheit,
Schwulst und Ueberladung und trug in solcher Weise nicht
wenig zur Verzopfung des Reliefstyls und der Sculptur über-
haupt bei.
Donatello, der alle Kunstinteressen mit Brunellesco theilte
und fast gemeinsam mit ihm dachte und fühlte, begrüsste dessen
neue Entdeckung ohne Zweifel mit Enthusiasmus, um sie so-
fort in seinen Reliefs anzuwenden. Dabei beobachtet er jedoch
im Ganzen ein weit strengeres Stylgefühl als Ghiberti, indem