DONATELLO
ALS REALIST UND MALER.
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nisrnus und Naturstudiurn der Gelehrten, Realismus der Künstler
im unmittelbarsten Zusammenhang mit dem demokratischen
Freiheitsdrang, dessen fortwährendes Weiterschreiten eine der
treibenden Kräfte der Horentinischen Geschichte bildete. Kunst
und Wissenschaft waren die Ventile, durch Welche dieser demo-
kratische Drang in Florenz sich Luft verschaffte, Während i1n
politischen Gebiet ehrgeizige Bürger seinen Durchbruch und
Sieg verhinderten. Gerade zu der Zeit, als die demokratischen
Wogen am höchsten schlugen (Ende des 14. Jahrhunderts),
nahmen auch Kunst und Wissenschaft ihren ersten Anlauf zu
der hohen Stufe, die sie in Florenz erreichten.
Ja, selbst die vielen kleinen Gewaltherrscher und Usur-
patoren, welche im 15. Jahrhundert Städte und Provinzen unter
ihre Herrschaft beugen, stehen keineswegs in einem Wirklichen
Gegensatz zu der demokratischen, rationalistischen Strömung,
vielmehr sind sie nur egoistische Ausarttmgen derselben. Wo
auf Gleichberechtigung aller Menschen von vornherein, auf die
Nichtigkeit ererbter Vorzüge und Vorrechte, auf die Kasten-
ordnung blos nach reellen Normen, wie Reichthum, Intelligenz,
Energie, Macht, gedrungen wird, da werden auch nie die
herrschsüchtigen Naturen fehlen, welche, statt zur gesetzlichen
und gerechten Herstellung eines Systems beizutragen, wo solche
demokratische Principien die harmonischste und allgemein be-
fricdigendste Verwirklichung finden, vielmehr auf ihre reellen
Vorzüge und Titel pochend, die der Anderen ignoriren und mit
Gewalt unterdrücken.
Also 'selbst die persönlichen Gewaltherrschaften der ehr-
geizigen Bürger, Soldaten, Prälaten des I5. Jahrhunderts fanden
ihren directen und entsprechenden Ausdruck in dem energischen
und rücksichtslosen Realismus der damaligen Künste und Wissen-
schaften. Ja, wie in Folge des Durchdringens der alleinigen
Geltung der Individualität, der persönlichen Kraft und Macht,
sowie des Ringens der sich gebärenden neuen Zeit gegen alte
Systeme, Satzungen und deren Vertreter wohl schwerlich ein
Jahrhundert so reich war, nicht nur an dramatischen Ereig-
nissen, sondern auch an dramatischen, leidenschaftlich-energi-
schen und rücksichtslosen Charakteren, so konnte auch kein
Jahrhundert geeigneter sein für dramatische Schilderung von