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sirende Zugabe des Künstlers zu. Ein älterer Charakterkopf i:
jedoch der eigentliche Gegenstand, wo sich die ganze objective, ir
tuitive, psychologische Kraft eines Porträtisten bewähren kam"
Ein älterer Charakterkopf ist ein unendliches System von ge
danklichen und seelischen Verschlingutugen; die verschiedenster
frohen und traurigen Schicksale sind darin eingegraben, Kämpfe
Verzweiflungen, Siege haben darin ihre Spuren hinterlassen
Trümmer von Jugendgefühlen stehen darauf n'eben gereiftem
festem Sinn und düsteren Blicken auf das nahende Todes
geschick. Und das Alles ist für den Porträtisten in Muskeln
Knochen, Adern, Zügen, Blicken, wie mit klarer Schrift ge
schildert und ihm bleibt nur das getreue, wenn auch sten0-
graphische Abschreiben und Uebertragen in sein Material.
Donatello stellte sich im Erfassen solcher complicirter in
dividueller Systeme neben Griechen und Römer. Ja, wie die
Alten überhaupt einfachere Charaktere hatten als schon dic
Menschen der Renaissance, so zeigen auch Donatellds Porträt-
köpfe ein reicheres, individuelleres Seelenleben als die aptiken.
Donatello's Porträtkunst war der Culminationsptinkt seines
Realismus. Dieser wie jene sind eine der interessantesten, weil
so klaren und durchgreifenden Manifestationen des ganzen da-
maligen Zeitgeistes. Dem Realismus des Donatello überhaupt
lag zu Grunde die ganze damalige Zeitströmung, welche auf
Bekämpfung des mittelalterlichen Dogmenwustes, Befreiung und
Cultur des Menschengeistes und der Vernunft, wissenschaft-
liche Erforschung der Natur ging. Ob auch später wieder die
Kirche in Italien siegte, dennoch vertrat der Humanismus
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, der aus einem volks-
thümlichen, interesselosen Streben nach Aufklärung hervor-
ging, dieselben Principien wie der Protestantismus. Beide
Wollten die Emancipation von der starren Herrschaft dogma-
tischer Tyrannei; der Humanismus lehnte sich gegen die form-
losen Hirngespinnste scholastischei" Philosopheme, der Protestan-
tismus gegen die vernunft- uhd sittenlosen Machtgebote kirch-
licher Dogmen auf. Humanismus wie Protestantismus waren
aber wieder nur Abzweigungen des Dranges der Völker nach
moderner Freiheit gegenüber den mittelalterlichen Satzungen
und Privilegien überhaupt. In Florenz zumal standen Huma-