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STATUEN DES DONATELLO AM CAMPANILE.
da die Ferne den Fleiss frisst. Eine grossherzige Rücksichts-
losigkeit belebt die Conception, erniedrigt sie nicht, so dass
man z. B. einen grossen Zorn, Niederträchtigkcit, Aufstand,
Wuth mit nicht gemessenen, sondern angem essen en Worten
schildern muss. Auch die Rohheit der Quadern an den grossen
Palästen verringert nicht deren Majestät, im Gegentheil, sie er-
höht sie." 105
Aehnlich spricht sich Vasari in seiner Einleitung in dem
ersten Capitel über Sculptur aus. Dort sagt er unter Anderem:
„ . Sowohl die in Relief gebildeten als die gemalten Figuren
müssen mehr mit dem Urtheil als mit der Hand ausgeführt
werden, wenn sie in einer grossen Höhe und Entfernung an-
gebracht werden; denn den Fleiss der letzten Vollendung sieht
man nicht von Weitem, wohl aber sieht man die schöne Form
der Arme und Beine und den guten Geschmack in den Falten
des Gewandes mit wenig Brüchen; denn in der Einfachheit des
Wenigen zeigt sich die Schärfe des Geistes. Desshalb müssen
die Figuren von Marmor oder Bronce, welche etwas hoch
zu stehen kommen, kühn unterhöhlt sein, damit der Marmor,
welcher weiss ist, und die Bronce, welche sich dem Schwarzen
nähert, in der Luft dunkle Stellen annehmen, und durch
diese die Arbeit von der Ferne vollendet erscheine, während
sie in der Nähe als nur bossirt erkannt wird. Diesen Ge-
sichtpunkt befolgten die Alten in hohem Masse, wie uns
die Rund- und Relief-Figuren an den Bögen und auf den
Säulen Roms zeigen, welche den grossen Geschmack be-
weisen, den sie hatten, und unter den Modernen sieht man,
dass dieses Princip durchaus von Donatello in seinen Werken
befolgt worden sei." Hierauf gibt Vasari noch verschiedene Mittel
an, um in gewisser Höhe die richtige Wirkung zu erzielen.
Wir machen darauf aufmerksam, dass an den zwei antiken
Statuen am Aufgang des Capitols die oberen Partien in einem
grösseren Massstabe ausgeführt sind als die unteren, weil an
diesen Statuen, welche ziemlich steil über dem Blick des Be-
schauers stehen mussten, die oberen Theile stärker verkürzt
wurden, als die unteren näherstehenden.
Ebenso sind an der Trajanssäule in Rom und an der des
Antoninus Pius die ReliefS je grösser, je höher sie sich befinden.