STATUEN DES DONATELLO AM CAMPANILE.
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furcht ein; die von Zeuxis dargestellten Trauben waren so
natürlich, dass die Vögel darnach pickten; Pygmalion verliebte
sich in seine eigene Schöpfung. Auch die Alten strebten dar-A
nach, durch ihre Kunstwerke nicht blos einen harmonisch
schönen, sondern auch einen lebendigen Effect hervor-
zubringen und im Beschauer eine dem dargestellten Gegenstand
angemessene Stimmung zu erwecken, und dies konnte nur durch
Wahrheit und Kraft der Charakteristik im Gegenstand selbst
geschehen. Neben der Charakteristik gehörten, wie Wir SCÜOH
oben sahen, technische Mittel und Berechnungen dazu, so dass die
Statue in der Stellung, Lage und Entfernung, wie sie sich dem
Blicke des Beschauers darbietet, gerade das gewünschte Mass
von harmonischer und lebendig ergreifender Wirkung thue, die
der Künstler beabsichtigt. Die Alten thaten dies durch perspec-
tivische und malerische Mittel; die Bemalung ihrer Statuen
half ihnen bedeutend, die nöthige Wirkung auch in der Ferne
zu erzielen. Auch zu Donatellds Zeit wurden die Statuen
noch bemalt; zugleich gab ihnen Donatello durch die nöthige
Licht- und Schattenwirkting das nöthige Relief und Leben. Ja,
allmälig trat dieses Mittel der Belebung vor dem farbigen in
den Vordergrund, wozu wohl theils die oft so hohe Aufstellung
der Statuen, theils die farblos werdende Renaissance-Architektur
beitrug. Den Zuccone arbeitete Donatello ganz besonders mit
Hilfe einer tiefen Aushöhlung der Schattenstellen zu einem
energischen Effecte aus; hiezu veranlasste ihn dessen hohe Auf-
stellung.
Davanzati in seiner Einleitung zur Uebersetzung des
Tacitus spricht sich in folgenden glücklichen Worten über die
Art der Behandlung des Zuccone aus: „Die von edeln Männern
und dem Gebrauch gebilligten Eigenheiten sind also keine Fri-
volitüten, sondern Kräfte und Nerven; weder Homer noch
Dante vermeiden sie in ihren erhabenen Gedichten an den Stellen,
wo sie mit Kühnheit schildern. Auf die Art der Verwendung
muss man also sein Augenmerk richten; so that es Donatello
in dem berühmten Zuccone an unserem Domcampanile, als er
die Augen machte; dort oben scheinen sie wie mit der Schaufel
gegraben; denn wenn er sich mit ihrer Wirkung auf dem Erd-
boden begnügt hätte, würden sie dort oben blind erscheinen,