STATUEN FÜR DIE NISCHEN m.
der Natur, aus der es hervorging, so errathen, als ob die Natur
selbst vor ihm stünde. Vermag ein Künstler dies nicht, dann
ist ihni das Entlehnen von Motiven verderblich, und er würde
besser thun, sich direct an die Natur zu halten. Das schönste
Motiv wird erst schön, wenn es mit künstlerischem Verstande
verwerthet wird, und verliert allen Werth, sobald der Künstler
mit dessen Rohstoff schon meint, etwas erreicht zu haben. Die
Sprachmittel der Kunst haben schliesslich eine Grenze; es gibt
zwar viele, aber nicht unendlich viele Bewegungen des mensch-
lichen Körpers. Wie die glückliche und harmonische Einfügung
des einzelnen Motivs in den ganzen Geist der Coniposition, so
ist die lebendig empfundene Durcharbeitung dieses einzelnen,
wenn auch nicht neuen Motivs der wahre Beweis für das Genie
des Künstlers.
Die Stellungen der Standbilder Donatellds sind oft die
einfachsten und naheliegendsten, welche die Natur zeigen kann;
die lebendige, ausdrucksvolle Auffassung und Ausführung macht
sie interessant, künstlerisch, neu, genial.
Im 14. Jahrhundert, wie wir sahen, mussten sich die
ersten Bildhauer häufig Cartons zu ihren Statuen zeichnen las-
sen; der-Grad der schönen Verhältnisse, dergeistreichen und sorgfäl-
tigenAusführung machte dennoch ihren originellenWerth aus."
Welch' allgemeines Aufsehen und welchen tiefen Eindruck
das Standbild des S. Georg von Donatello auf die Künstler des
I5. Jahrhunderts machte, das sehen wir am unmittelbarsten an
einigen Wiederholungen desselben Motivs, das Donatello aller-
dings ganz erfunden und geradezu typisch erschaffen hatte.
So befindet sich im Hof des Regierungspalastes von Pistoja
auf einer Pfeilerconsole eine kleine, einst bemalte Statue, die
in roher Weise durchaus eine Wiederholung des S. Georg von
Donatello bildet. Am Sockel befindet sich die Unterschrift:
Nicoderno O. Belacci P. 1431. Ferner beündet sich eine ähn-
liche Figur an einem Grabe in S. Giovanni e Paolo zu Venedig,
Welches von einem Simone da Fiesole und einem Florentiner
im Jahre 1423, dem Tommaso Mocenigo, errichtet ward. Diese
Figur befindet sich an einem rundlichen Vorsprung einer der
Ecken des Sarkophages und stimmt in dem langen Hals, im
Ausdruck des Kopfes, in der ganzen Stellung völlig mit dem
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