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STATUEN FUR DIE NISCHEN etc.
Donatello hingegen stellte seine Figuren in der Weise her,
dass sie in dem Zimmer, wo er arbeitete, nicht zur Hälfte die
Wirkung machten, wie nachher an dem Ort, für den sie be-
stimmt waren." Hieran schliessen sich ergänzend folgende
Worte aus den Bellezze di Firenze von Bocchi und Cinelli an:
„Auch Donatello entgeht nach der Anschauung dieser Leute
nicht dem Tadel, weil er, obwohl ein ausgezeichneter Bild-
hauer und viel von Michelangelo gelobt, nach ihrer Ansicht
darin fehlte, dass er seine Werke mit zu wenig Geduld voll-
endete, so dass sie wunderbar von Weitem erscheinen, in der
Nähe aber an Bewunderung einbüssen. Donatello war aber im
Ausfeilen seiner Werke aus tiefem Studium und mit vollem
Bewusstsein sparsam, damit dieselben nicht jene natürliche
Lebendigkeit und Anmuth verlören, welche er im ersten Wurf
und bei den ersten Meisselschlägen mit seiner freien Hand eines
wahren Meisters denselben eingeprägt hatte; dadurch erhöhte
er ihren Werth für den Fernblick, wie er ihn etwas für die
Nähe verringerte. Ja, um diese letztere Unannehmlichkeit zu
vermeiden, suchte er seine Werke erst dann sehen zu lassen,
wenn sie an ihrem Standort aufgestellt waren, wie es bei dem
S. Marcus von Marmor geschah, der sich an Or San Michele
behndet."s3
Wir sehen hierin einen monumentalen Sinn des Donatello,
welcher der Zeit seines Wirkens, besonders in seiner Jugend,
da die Bildhauer noch fast ausschliesslich mit Monumental-
statuen zur Ausschmückting öffentlicher Bauten betraut wurden,
vollkommen angemessen war. Wie gerade im Beginn des 15.
Jahrhunderts die rege Theilnahme der Regierung und aller
öffentlichen und politischen Corporationen an der monumentalen
Kunst, als dem höchsten und edelsten Ausdruck des kräftigen,
stolzen Staatslebens, an ähnliche Verhältnisse im alten Griechen-
land erinnert, so kehrt auch Donatello, mit dieser Berechnung
der Wirkung seiner Werke von dem für sie bestimmten Stand-
ort aus, zu Traditionen zurück, die seit der antiken Kunst bis
zu seinem Auftreten in gänzliches Vergessen, gerathen waren.
Zu diesem epochemachenden Streben musste ihn ebensowohl
das geistig tief eindringende Studium der antiken Kunstwerke,
als auch sein ursprüngliches, auf energische und lebendige