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werden sollen. Im Holbein-Kabinett der Dresdener Galerie ist ein
Dürer, der ganz ersichtlich auch erst eine farblose Untermalung
mit matten Temperafarben ist. Hände, Falten u. s. w. sind mit solch
entzückender zeichnerischer Delikatesse durchgeführt, dass diese
Seite der Arbeit gethan zu sein scheint und nur das Umwandeln in
Farben notwendig gewesen wäre. Auch von Rubens und van Dyck.
besitzen wir (nicht zu verwechseln mit ihren Grisaillen, die als
Vorlagen für Kupferstich gedient haben) Untermalungen, von
denen eine in der Berliner Galerie (eine Reiterschlacht in kleinem
Format) eben im Stadium des Tönens liegen geblieben ist. Es ist
nicht anzunehmen, dass so bedeutende Maler wie die angeführten
(denen sich, wenn es hier aufs Aufzählen ankäme, ohne Mühe noch
viele hinzufügen liessen) sich dauernd all dieser Mühen umsonst
unterzogen haben werden. Gar ein so eminenter Kopf, wie Lionardo.
dessen Studien über das rationellste Malverfahren überall von dem
streng logischen Kopfe zeugen, wird genau die Gründe gekannt
haben, die ihn grade zu d e mVerfahren veranlasst haben, und er war
nicht der Mann dazu, der gedankenlos einer unsinnigen Tradition
gefolgt wäre. S0 falsch es nun auch wäre, ein sklavisches Fest-
halten an einer dieser als erprobt bewährten Malweisen für uns
alle zu verlangen, wie es leider der in vielem so verdienstvolle
Farbenrationalist, der Maler Heinrich Ludwig thut, und so ganz
die Vorteile eines Ausbauens, Erweiterns, ja eines direkten Ab-
weichens zu verkennen, so falsch ist es, all den Schatz von Kennt-
nissen, Erfahrungen und Rezepten, den die Kunst der Alten für uns
in sich birgt, einfach über Bord zu werfen und, wie es vielfach ge-
schieht, mit der Vorurteilslosigkeit, aber auch der Verstandlosigkeit
eines Kindes einfach drauf los zu malen, um sich dann erst im