Volltext: Dürer (Bd. 2)

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XIII. 
Der 
Künüler 
und 
Menfch, 
{ich als ehrbare deutfche Bürgersfrau bis auf die Hängetafche 
und den Schlüffelbund. S0 fitzt fie fpinnend und weifend 
in der NVerkfiätte Jofephs, des Zimmermanns, oder mit einem 
Buche in der Hand in der Landfchaft, umgeben von einer 
fanften nordifchen Thierwelt oder von gefchäftigen Engels- 
kindern. Und diefe Engelein find, f0 wie der kleine Jefus- 
knabe, Wirkliche fpielige Kinder ohne Altklugheit und Senti- 
mentalität. Dürers Maria kennt nur ein Gefühl, das der 
Liebe zu ihrem Sohne. Sie faugt ihn in ftiller Freude, fie 
bewundert ihn auf ihrem Schoofse; f1e herzt und prefst das 
Kind, unbekümmert darum, 0b ihr das auch gut fteht, 0b fle 
dabei bewundert wird. Und diefe Mutterliebe wächft mit dem 
Sohne grofs, genährt an der Verehrung für ihn; doch auch 
an Kummer und Leid um ihn. Darum blüht ihr auch nicht wie 
in Italien die ewige Jugend der alten Götter. Sie wird alt und 
gebrechlich, da {ich fein Gefchick erfüllt. Als Matrone breitet 
fie die Arme über die Leiche des gemarterten Sohnes, und 
ohnmächtig von übergrofsem Schmerz liegt fle am Fufse des 
Kreuzesftammes. NVer da noch Schönheit und Grazie ver- 
niifst  der darf nur aus feinen Wünfchen keine Anklagen 
gegen Dürer und die deutfche KunPc ableiten. 
Im Jahre 1511 fchlofs Dürer denn auch eine Haupt- 
aufgabe feines Lebens ab, indem er die grofsen Holzfchnitt- 
folgen, an denen er fo lange gearbeitet hatte, vervoll- 
ftändigte und diefelben als Bücher gedruckt herausgab. 
Zunächft veranftaltete er eine neue Auflage feiner Apokalypfe 
mit Beifügung des Titelbildes. Das Marienleben vermehrte 
er 1510 um die beiden vorletzten Darfiellungen, fodann im 
folgenden Jahre durch Beifügung des Titels auf 20 Blätter  
1) Das Motiv der Madonna in 
diefer Titelvignette diente nachmals 
mit zur Fälfchung der fogenannten 
Madonna am Thore, ViE-zrge ä 1a. 
porte, Bartfch 45. Diefer Kupfer- 
üich iß eine plumpe Compilation 
von Bruchüücken aus verfchiedenen 
Kupfern und Holzfchnitten Dürers, 
wie George William Reid: The Fine 
Arts Quarterly Review 1866, N. S. l, 
401, fchlagend und gründlich er- 
wiefen hat, Gottvater oben iß ent- 
lehnt aus dem Holzfchnitte B. 90, 
der Ruhe in Aegypten; die Engels- 
gnqapen und die ÄVolke aus der 
Himmelfahrt Marias B. 94; die Gc-
	        
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