XIII
Der
Künßler
und
der
lNIenfch,
NEs verdient noch beachtet zu werden, dafs auch bei
Lucas von Leyden, dem gefchickteften, genialüen Nachfolger
Dürers, die Radierung zuerft in einer ähnlichen fchüchterxien
Weife auftritt, indem {ie fich noch mit der Stichelarbeit
verbindet. Die früheften Beifpiele davon fallen in das Jahr
1520, darunter das berühmte Bildnifs Kaifer Maximilians 1).
Alles Beiwerk ift hier geätzt und blos ftellenweife mit dem
Stichel übergangen, Während der Kopf vollftändig mit dem
Grabflichel ausgeführt ift. Dürer kam in jenem Jahre nach
Antwerpen. Und wenn er Lucas vielleicht auch erft im
folgenden Jahre dort perfönlich kennen lernte, fo hat derfelbe
doch flcherlich jene Verfuche nur im Hinblick auf Dürers
Vorgang gemacht. Uebrigens hat auch Lucas von Leyden
von der Radierung keinen ausgedehnteren und keinen aus-
fchliefslichen Gebrauch gemacht. Die Vorficht, mit welcher
die neue, mehr malerifche Technik aufgenommen wird, erinnert
an die Einführung der Oelmalerei, die auch lange erfl neben
der alten Temperatechnik und mit diefer verbunden vor-
kommt, bevor fie diefelbe verdrängt und ganz felbftändig wird.
Eine eigenthümliche Ausnahme unter Dürers Stichen
bildet noch das kleine Kreuzchen i), genannt v der Degen-
knopfr; ein kleines Rund, 37 Millimeter im Durchmeffer von
wunderbar feiner Ausführung, daritellend den Gekreuzigten
zwifchen Johannes und Maria. Bartfch hatte das Original
mit einer der beiden älteren täufchenden Copien verwechfelt,
verbefferte {ich aber bereits in der Anordnung des Dürer-
werkes in der kaiferlichen Hofbibliothek zu Wien, worauf
dann Paffavant die Berichtigung in die Litteratur einführte 3).
Schon der Umftand, dafs auf den ziemlich feltenen Ab-
drücken Maria rechts, alfo zur Linken des Gekreuzigten,
Pceht und Johannes zur Rechten, fodann dafs die Infchrift
des Täfelchens INRI umgekehrt erfcheint, beweift, dal's das
Plättchen nicht zum Drucke beftimmt, alfo ein Niello war.
1) Bartfch, P. Gr. VII. 432, Nr.
172, Vergl. Nr. 29, 125, x50 u. 159.
2) B. 23, Copie A.
3) Vergl, auch Derfchaus Einwand
bei Heller S. 394, ferner Schorn im
Kunftblatt v, 1830, Nr, 14, S. 56 u.