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XIII.
Künftler und
Der
der
Menfch,
Jahre I5I4 zur Aetzung der Zeichnung auf Eifenplatten
über. Es gelingt ihm vollfiändig, die Abdrücke werden
ungemein kräftig ohne alle Retouche. Doch auch von
diefem Verfahren machte er keinen umfaffenden Gebrauch,
da das fpröde Material eine feinere Durchbildung nicht zu-
liefs und fomit keine Vortheile gewährte, die nicht fchon
der Holzfchnitt in erhöhtem Mafse darbot. Ueberdies war
das blanke Eifen auf die Dauer vor Rofi nicht zu fchützen.
War Dürer fomit von den Ergebniffen der reinen Ra-
dierung keineswegs befriedigt, fo fand er in der Aetzung
doch ein willkommenes Mittel zur Erleichterung und Ver-
vollkommnung des Kupferftiches. Anders wüfste ich mir
wenigftens den Umftand nicht zu erklären, dafs gerade mit
dem Jahre 1514, da Dürer auf die mit der blofsen Nadel
übergangene Kupferradierung verzichtet, fein Kupferitich
einen von dem bisherigen Ausfehen völlig verfchiedenen
Charakter annimmt. Immer gute, frühe Drucke in Vergleich
gezogen, zeichnen {ich die älteren Stiche aus durch ihre
tiefe Schwärze, durch den fchärfern Gegenfatz zwiichen
Licht und Schatten, durch ein gewiffes glaflges Leuchten
überhaupt. Dies gilt noch von den Kupfern des Jahres 1 5 I 3,
von der Madonna am Baume (B. 35), von dem Schweifstuche,
das zwei Engel halten (B. 25) und von dem berühmten
xReiterr oder aRitter, Tod und Teufelr (B. 98). Die fpä-
teren Stiche Dürers erft erhalten die eigenthümliche, mehr
gleichmäßige, mattere Stimmung, jenes zarte, filbergraue
Gewand, das Iie fo vornehm kleidet. Die Madonna an der
Stadtmauer fitzend (B. 40) bildet, fcheint es, noch den Ueber-
gang zu der neuen Technik; ihre Behandlung ift ungleich
und zeigt namentlich in den Fleifchtheilen des Kindes und
im Kopfe der Maria noch die fchärferen, fchwärzeren Stichel-
zuge der älteren Blätter. Sie läge fomit hart an der Grenz-
fcheide der beiden Manieren. Dagegen gehörten die Maria
mit kurzem Haar, auf dem Halbmonde ftehend, (B. 33) und
die fämmtlichen fechs anderen Kupfer des Jahres 1514,
darunter Hauptblätter wie die Melancholie und St. Hieronymus