Volltext: Dürer (Bd. 2)

XIII. 
Künfller 
Menfch, 
endlich vdas Kreuza (B. 24); fo nennt Dürer felbft in feinem 
Tagebuche den gröfseren Stich mit dem Pcerbenden Chriftus 
am Kreuze, zu feinen Füfsen die Trauernden, deren Seelen- 
qualen Dürer nirgends anderwärts in einem vollendeten 
Werke zu folch" gewaltigem Ausdrucke gefteigert hat. Deut- 
lich erfcheint er hier, und zwar zum letztenmale, vom Geifte 
Mantegnas angeweht; ja der heilige Johannes rechts mit den 
zufammen geprefsten Händen und dem weit geöffneten 
Munde, wie auffchreiend vor übergrofsem Schmerze, ift 
geradezu aus deffen grofsem Stiche, der Grablegung, entlehnt. 
In den Jahren 1511 und 1513 erft entftanden die beiden 
fchönften Madonnen unter den Kupferftichen Dürers. Sie 
flnd einander ähnlich, beide fitzen an einem Baume in der 
Landfchaft; die erftere mit dem fegnenden Kinde, auch ge- 
nannt nmit der Birnecr 1); die andere das Kind an fich 
drückend (B. 35). Und zwar thut fie das recht herzhaft. 
Es ift das gleiche Motiv, welches Raphael in feiner Madonna 
di Cafa Tempi, jetzt in München, angewendet hat, und fo 
wie dort guckt auch hier das Kind, Wange an NVange, 
grofs aus dem Bilde heraus. Beide Kupfer lind fehr tief 
und ungemein glanzvoll geftochen. Nun, da Dürer des 
vfieifsigen Kläubelnsa in der Malerei müde ward, un1 wieder 
vfeines Stechens zu wartena, vollendete er rafch auch die 
gePcochene Pafflon, an der er bisher langfam weiter gearbeitet 
hatte. Zehn von den 16 Blättchen, aus denen fie befteht, 
tragen die Jahreszahl 1512; nur das letzte Blatt, welches 
fo eigenthümlich aus dem Rahmen der Folge herausfällt, 
die Heilung des Lahmen durch Petrus und Johannes, ift erft 
1513 hinzugefügt. Diefen Abfchlufs der Folge kann Dürer 
unmöglich beabfxchtigt haben. Wir gehen kaum fehl, wenn 
wir annehmen, dafs er noch an die Vermehrung derfelben 
durch andere Blätter dachte, dafs aber das Unternehmen, 
wie fo manches andere, unvollendet blieb oder doch nur 
X) B. 41, Eine leichte F ederfkizze 
dazu in der Sammlung Pofonyi-Hulot, 
316; 
jetzt 
Berliner 
im 
Mufeum.
	        
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