Renaiffance-
Buchfiaben,
jener Francesco da Bologna, der für den gelehrten Buch-
drucker Aldus Manutius in Venedig die fchönen Curfivlettern
conftruiert hat, foll ja niemand anderer gewefen fein, als der
berühmte Maler und Goldfchmied Francesco Raibolini, genannt
il Franciaü). Während aber den Italienern gelehrte Schrift-
{leller zur Seite ftehen, welche die theoretifche Begründung
und Conftruction des antiken Alphabetes blos unter dem
Einfluffe der Künfiler und ihres Gefchmackes übernehmen,
beforgt Dürer beide Aufgaben allein.
Der erfie, welcher {ich in diefer Hinficht Verdienfie
gefammelt hat, ift Felice F eliciano von Verona, der gelehrte
Freund des Andrea Mantegna, dem er auch ein Werk:
rEpigranimataa gewidmet hat 9). Seine Lettern fchliefsen
{ich möglichfi genau an die der Römerfteine an, von denen
{ie entlehnt find; die Schäfte find noch mager und facettiert,
fo wie {ie dem Meifsel des Steinmetzen gerecht find, ganz
entfprechend dem plaftifchen Gefchnlacke Mantegnas. Im
Sinne des malerifchen Flachornamentes bildet dann der
Mathematiker Luca Pacioli aus Borgo San Sepolcro ihre
Verhältniffe weiter in feiner 1497 vollendeten, wenn auch
erft 1509 gedruckten v-Divina proporzionee; fie werden
völliger, harmonifcher, elafiifcher. Bei den nahen Beziehungen
des Gelehrten zu Piero dal Borgo und zu Lionardo ift wohl
der Einflufs diefer beiden Meifier auf den Gefchmack der
Compofitionen nicht zu bezweifelnß). An Paciolis Alphabet
fchliefst fich Dürer ziemlich genau an, wenn auch nicht ohne
eine bewufstc Selbfiandigkeit, die {ich namentlich in der
Vereinfachung der Conflruction bewährt und in der künft-
I) Antonio Panizzi: Chi era Fran-
cesco da Bologna? Londra 1853.
2) Richard Schöne, Felicis Feli-
ciani Veronensis opuscnlum ineditum,
Ephemeris epigraphica 1872. S. 255
bis 269 mit vergleichenden Schrift-
tafeln aus den Alphabeten von F eli-
ciano, Pacioli und Dürer. Vergl,
auch Crowe und Cavalcaselle, deutfch
von M. Jordan, V, 386.
3) Vergl. Oben I. S. 3633. Eine
eingehende Unlerfuchung und Recon-
ßruction von Dürers Alphabet im
großen Mafsßabe bieten C, Sitte und
Salb: Die Initialen der Renaiffance
nach den Conflructionen von Albrecht
Dürer, Wien 1882.