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XllI.
Der Künftler
und
der
Menfch.
und noch mehr aus den Compofitionsproben, die Dürer in
feiner vUnterweifung der Meffungr 1525 veröffentlichte. Wie
weit er {ich durch das malerifche Ueberwuchern von Naturdetail
von den Forderungen des antiken Stiles entfernte, fcheint
Dürer gar nicht geahnt zu haben. Er erwartete alles von
der Einhaltung der richtigen Verhältniffe, und unermüdlich
forfchte er nach den theoretifchen Vorfchriften der Alten.
Sich von ihnen zu entfernen oder mit ihnen in lNiderfpruch
zu treten, lag ficher entfernt nicht in feiner Abficht. Eine
Unterfuchung der Proportionen von antiken Säulen und
Intercolumnien fchliefst er einmal mit den NVorten: rund
eigentlich ift es wahr, wie Vitruvius fpricht, wo foleher
Mafse nicht Acht genommen wird, fo werden die Werke
ungeftalt auch in neuerdachten Werkenr.
Die Capitalbxxchfiabexi der Infchrifttafel, welche Dürer
im Allerheiligenbilde vor {ich hält, mahnen uns daran, dafs
er auch auf einem ganz benachbarten Gebiete die gleichen
Tendenzen verfolgte. Die nachfie Verwandtfchaft mit der
Baukunft hat ja die Schreibkunfi. Sie bildet gewiffermafsen
nur eine Unterabtheilung der Architektur und folgt daher auch
getreulich den Gefetzen und den Stilwandlungen derfelben.
Auch das hat das Schriftfchöne mit dem Baufchönen gemein,
dafs es {ich zunächit einem gewiffen praktifchen Zwecke
unterordnenund anbequemen mufs, und diefer ifi bei der
Kalligraphie die leichte Lesbarkeit. Dürer war zu fehr
auch Litterat, als dafs ihm die Bedeutung diefes Gebietes
für die Gefchmacksrichtting feiner Zeit entgangen wäre, und
ale echter Renaiffance-Künftler bemühte er fich vornehmlich
um die Confiruction und Einführung der antiken Capital-
buchftaben, wie {ie in den alten römifchen lnfchriften über-
liefert und bei den Italienern wieder in Aufnahme gekommen
waren. Die Wiederbelebung der edlen antiken Lettern geht
Hand in Hand mit der übrigen Renaiffance, fchliefst fich
aber namentlich an jene Künftler an, die eine vorwiegend
gelehrte und antiquarifchc Richtung verfolgten, als Mantegna,
Piero dal Borgo San Sepolcro, Lionardo da Vinci. Auch