Volltext: Dürer (Bd. 2)

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XII. 
Gemälde. 
Die grofsen 
ernften Gedanken, zu geiffreichen Bemerkungen wollte folclf 
ein Bild nicht anregen, und in den Prunkgemäclmern der 
Grofsen diefer Welt wäre es fchlecht am Platze gewefen. 
Dem Volke aber, das fich zum Gottesdienfte verfammelt, 
dem lebensmüden Greife, dem Armen, der zum Gebete feine 
Zuflucht nimmt, mufste es in's Herz lachen, wie eine tröftende 
Botfchaft. Auf leidende, beläümmerte, einfältige Gemüther 
konnte fein Anblick die erhebende YVirkung nicht verfehlen, 
und in fofern ift es das MuPter eines chriftlichen Altarbildes. 
Der Reihe diefer grofsen Gemälde aus der mittleren 
Zeit Dürers fchliefst flch noch ein kleineres an, das aber in 
Conception" und Ausführung noch ganz auf der gleichen 
Höhe fteht. Es ift die Madonna mit der angefchnittenen 
Birne vom Jahre 1512 in der kaiferl. Galerie zu Wien; ein 
Bruflbild, beinahe in Lebensgröfse, auf fchwarzem Hinter- 
grund. Maria in blauem Gewande und weifsem Schleier 
neigt demüthig das Haupt nach dem Kinde auf ihrem 
Arme. Diefes, den Anfchnitt einer Birne im Händchen 
haltend, hat eine wenig gefällige, gewundene Haltung, bei 
welcher der Kinderbauch auffallend hervortritt, auch nicht 
viel Ausdruck im Köpfchen. Dagegen zeigt der herab- 
blickende Madonnenkopf von mehr kurzem, breiten Typus 
eine tiefe, feelenvolle Innigkeit. Die Malweife iPc tingemein 
flüffig und zart verfchmolzen, das Fleifch im Lichte rofig, 
in den Schatten grau abgetont, die Haare fehr fein, zum 
Theile einzeln mit tinbegreiflicher Schärfe hingezogen. Unter 
allen einfachen Madonxnenbildern Dürers ift diefes das voll- 
endetfte, zugleich auch von vortrefflicher Erhaltung l). 
Seit 1512 verläfst Dürer die überaus forgfame Mal- 
weife, welche er feinen grofsen Gemälden hat angedeihen 
laffen; ja er wendet (ich für längere Zeit faft völlig von 
der Tafelmalerei ab, bei der er weder feine Rechnung noch 
jene Anerkennung fand, die er verdient zu haben glaubte. 
1) Auf Holz, Meter Höhe 0.467, feitig, rechtfeitig von Nicolaus Pitaix; 
B1". 0,36. In der Originalgröfse ge- radiert von B. Weyfs. 
Rochen von Franz Van Steen gegen-
	        
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