Allerheiligenbild.
Das
Gewifs, an ernfler Getragenheit, an Ebenmafs der Linien,
wie an Durchbildung der Gefialten kann Gch die Tafel
Dürers mit Raffaels Fresco im Vatican nicht meffen. Auch
in der Compolition kann die fyfiematifche Gründlichkeit und
die überreiche Fülle der Figuren den Mangel an Flächen-
raum nicht erfetzen. Was bei Ralcfael in drei halbkreis-
förmigen Abftufungen hingelagert erfcheint, thürmt fich bei
Dürer in fünf gefchloffenen Kreifen über einander auf, wenn
wir die reizende Uferlandfchaft, mit der das Bild unten
abfchliefst, hinzurechnen. Unten im Vordergrunde diefer
wundervollen Landfchaft, in der rechten Ecke des Gemäldes
hat flch Dürer felbit abgebildet, in ganzer Figur daftehend
wie ein Sieger mit dem langen, wohlgepHegten Lockenhaare,
angethan mit der faltenreichen Schaube, dem pelzverbrämten
F eltgewande jener Zeit. Er halt zu feinen Füfsen eine Tafel
mit der Infchrift, dafs Albrecht Dürer, ein Nürnberger, das
gemacht habe im Jahre 1511, darunter das Monogramnü).
Unfer Titelkupfer giebt das Figürchen in 2,3 der Original-
gröfse wieder, geftochen von Victor Jafper unter der kun-
digen Leitung von Profeffor Louis Jacoby.
Goldig, zart und duftig ift das Ganze behandelt. Ohne
durch Einzelnheiten zu feffeln und abzulenken, wirkt das
Allerheiligenbild durch die einheitliche Gemüthsltimmung,
die ihm zu Grunde liegt, durch das innige freudige Genügen
in den Köpfchen der Heiligen, durch den Reiz liebevoller
Ausführung und durch eine helle und doch lebhafte Farben-
harmonie, die alles Stoffliche verklären Will. Es liegt eine
idealifche Abfichtlichkeit in der Wahl diefes Colorits. In
keinem anderen Gemälde, weder Dürers noch eines anderen
Meiflers, ifi feitdem eine folche Vergeifiigung der Farbe
angellrebt worden; es iPc, als hätte er nach den malerifchen
Aequivaleilten des Sphärenklangesi gefucht. Und heute
noch leuchtet es uns unverändert in {einer ganzen, duftigen
Farbenpracht ein wahres Juwel der Kunft! Wohl, zu
1)
CVS
ALBERTVS DVRER NORI-
FACIEBAT ANNO A -VlR-
GINIS PARTV 1511, Stich von
Lucas Kilian, Hehe oben S. 16, Amn.
Thaufing,