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XVIl.
Krankheit,
Tod und
fchriftlicher
Nachlafs,
treffs des erfteren ifi dies fehr zu beklagen; denn eine ein-
gehende Schilderung feines Vorgehens und feiner Technik
in der Malerei wäre für uns vielleicht von grofserer NVichtig-
keit gewefen als alle feine übrigen Schriften. In diefen hat
heutzutage doch vornehmlich nur dasjenige Intereffe, was
mit dem Schaffen des Meifiers in directer Beziehung ficht.
Denn Dürers Perfönlichkeit als Künftler ifi eine eminent
hiftorifche und was ihn und feine Kunft unmittelbar angeht,
kann nicht veralten. Es fehlt denn auch nicht in Dürers
Schriften an einzelnen Ausfprüchen über die Kunft und ihre
Aufgaben, die fo tieffmnig und geiftvoll iind, dafs {ie nie
aufhören werden, die Nachwelt zu entzücken. Doch wäre es
ein Irrthum, dahinter ein ganzes kuniiphilofophifches Syftem
zu vermuthen, das {ich aus jenen Aeufserungen, wie aus
zerftreuten Baufteinen, wieder zufammenfetzen liefse. Sie
haben nichts gemein mit einer Aefihetik im wiffenfchaft-
lichen Sinne, fie find nicht die Ergebniife einer theoretifchen
Erwägung. Hier tritt vielmehr der Maler wieder in feine
Rechte ein. Es find blos vereinzelte Geifiesblitze, doppelt
werthvoll, weil {ie der Ausdruck einer reflectierenden Küilftler-
feele lind. Sie Hammen nur auf, um in ihrer Pracht zu er-
glänzen, nicht aber um einer mühfeligen Forfchung den
Pfad zu beleuchten.
Insbefondere ift das Vorwort zu jenem grofsen, lange
von Dürer geplanten Werke: v eine Speife der Malcrknabem
reich an folchen Ausfprüchen 1). Er hat diefe Vorrede
wiederholt umgearbeitet und je nach den Stimmungen und
Anfchauungen, die ihn eben befeeltcn, gab er feinen Ge-
danken Ausdruck über die Kunfi in ihrem Verhältnifs zur
Antike und zur Natur, über den fchwankenden Begriff des
Schönen und deffen Einklang mit dem Guten, Wahren und
Aus den Londoner MSS zu-
fammengeüellt von Zahn, Jahrb. f.
Kunßw, I, 4-"10; und von den
Herausgebern der Proportionslehre am
Schluffe des III. Buches; ein Bruch-
fiück im Nürnberger Codex, facümile
bei Ghillany, Index rarissilnoruzn
aliquot librorum, Norinb. 1846, ab-
gedruckt bei Becker, Archiv f, zeichn.
K, IV. xSSS, S. 24-25.