Stilmifchung.
Willkür.
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Schreibmeifler zu Nürnberg, deffen Formular 1600 zu Augs-
burg wieder erfchien 1).
Man fleht deutlich, dafs Dürer einen principiellen Gegen-
fatz zwifchen Gothik und Renaiffance gar nicht kennt, und
es ift dies ganz bezeichnend für einen Meifter, der mitten
in der Stromfchnelle des Ueberganges fleht. Der alte, wie
der neue Stil hat Ueberzeugendes für ihn, und er vermeint
beide zu verbinden und in einander überzuleiten, ohne ihnen
Gewalt anzuthun. Diefe vermittelnde Anfchauung iPc vor-
bedeutend und mafsgebend geworden für die ganze deutfche
Renaiffance-Kunft; und das zwar im Vereine mit einer
ferneren Eigenthümlichkeit, die auch bereits bei Dürer in
der weitgehendften Weife vorgebildet ifi, nämlich der Frei-
heit und Willkür, welche jedem Einzelnen verftattet wird.
Dürer hält die Bauformen nicht für etwas hiftorifch Ge-
wordenes, aus den Beftrebtingen eines ganzen Volksthumes
Hervorgegangenes, fondern für Erfindungen einzelner be-
gabter Meifter. Als der vornehmfle und nachahmens-
werthefte unter ihnen erfcheint ihm zwar Vitruv. Das foll
aber die neuen Batimeifter keineswegs in der freieften Er-
findung des Einzelnen einfchränken, zu welcher Dürer viel-
mehr ausdrücklich einladet und die Beifpiele liefert: ies
möge fich übrigens jeder bemühen, etwas Weiteres und
Fremdes zu finden, denn in den Theilen ift nicht ein Ding
allein gut, fondern viele Dinge find gut, wer fie weifs zu
machen; darum mufs man darnach fuchen, wie denn der
hochberühmte Vitruvius und Andere gefucht haben und gute
Dinge gefunden; aber damit ift nicht aufgehoben, dafs nicht
Anderes, das auch gut fei, gefunden werden möge und
fonderlich in den Dingen, von denen nicht bewiefen werden
kann, dafs fie auf das Belte gemacht lllldq. So heifst es
in der weitläufigen Befchreibung einer überaus kraufen Säule,
welche Dürer beifpielsweife liefert (Fol. G. 1111) und die
er mit den Worten einleitet: xSo man aber von dem ganzen
Vergl,
oben
auch
42a,
111,
Heller,
Abth.
938,