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XVII.
Krankheit,
Tod und
fchriftlicher
Nachlafs,
erfchüttert, um nicht auch Erasmus gegenüber ein Wort
der Klage fallen zu laffen. Sonft war Erasmus freilich nicht
der Mann, vor dem er fein Herz hätte ausfchütten können.
Dafür-befitzeil wir ein anderes Beifpiel, das uns zeigt,
welchen Ausdruck Pirkheimer damals feinem Schmerze zu
leihen verftand. Es ift der Eingang eines Briefes an einen
Freund des Namens Ulrich vermuthlich ilt darunter der
Staatsmann Ulrich Varenbüler gemeint, welchem ja auch
Dürer mit feinem Bildniffe ein Zeugnifs feiner Liebe und
Verehrung hinterlaffen hatte derfelbe lautet:
xObwohl ein hohes Alter, mein lieber Ulrich, zu den
vornehmften Wünfchen der Menfchen gerechnet zu werden
pflegt, fo läfst fich doch kaum etwas Verderblicheres
erfinnen, als ein allzu langes Leben; das empfinde ich nun
von Tag zu Tag immer mehr. Denn abgefehen von dem
übrigen Ungemach des Alters und von all den verfchiedenen
Arten der Krankheiten was kann es für den Menfchen
Befchwerlicheres geben, als dafs er faft unaufhörlich nicht
nur Kinder und Verwandte, die der Tod ihm raubt, fondern
auch feine Freunde und zwar die Geliebteften unter ihnen
betrauern mufs? Und doch obwohl ich fchon oft den
Schmerz empfunden habe, der aus dem Ableben von Ver-
wandten zu entfpringen pflegt, fo weifs ich nicht, ob mir
je ein Sterbefall folch' einen Gram verurfacht hat, wie er
mich jetzt über das plötzliche Hinfcheiden unferes beften
und theuerlten Albrecht Dürer erfüllt; und das nicht mit
Unrecht, denn unter allen Menfchen, die mir nicht etwa
durch Bande des Blutes nahe Pcanden, habe ich niemanden
fo fehr geliebt und fo hoch gehalten als ihn ob feiner zahl-
lofen Tugenden und feiner feltenen Rcchtfchaffenheit. Eben
darum, mein lieber Ulrich, weil ich weifs, dafs diefer Schlag
uns, Dich und mich gemeinfam getroffen hat, habe ich mich
nicht gefcheut, vor allen Dir gegenüber meinem Schmerze
die Zügel fchiefsen zu laffen, auf dafs wir zufammen folch'
einem Freunde den fchuldigen "fhränenzoll weihen. Er ift
dahin, befter Ulrich, er ift dahin, unfer Albrechtl o uner-