Volltext: Dürer (Bd. 2)

286 
XVI. 
Reformation. 
Es ific eine Federzeichnung in der Albertina von 1524, dar- 
fiellend die Anbetung der drei Könige. Selbft in dem 
verkleinerten Facfimile, das hier beifolgt, erkennt man noch 
die zweierlei Dinte, die lichtere, womit die heilige Familie, 
die dunklere, womit die Gruppe der Könige gemacht ift, 
ein Zeichen der zwei verfchiedencn Stunden, welche der 
Conception gewidmet waren. Gerade zwanzig Jahre früher 
behandelte Dürer dreimal denfelben Auftritt: in Clairobsur 
für die wgrüne Pafflona, in Holzfehnitt für das Marienleben 
und in dem Gemälde der Uffizien in Florenz  in weitem, 
luftigem Raume, in bunter blühender Landfchaft. Um wie 
viel einfacher, urfprünglicher und grofsartiger hat er den 
Gedanken nun gefafst! Die Gottesmutter, ganz nordifch 
eingehüllt, mit dem wohlverwahrten Wickelkind ift voll 
Demuth und Hoheit zugleich; daneben der fchlichte Nähr- 
vater befcheiden die Hutkrempe drehend; dem gegenüber 
die majefiätifche Geftalt des greifen mittleren Königs; und 
alles auf Einem Plane in einem knappen Raume. S0 gelangte 
Dürer ohne fremde Mufter auf feine eigene Art und durch 
mühfam errungene Ueberzeugung zu jener einfachen Gröfse 
der malerifchen Darftellung, um derentwillen Michelangelo 
ihn und die ganze deutfche Kunft fo fcharf getadelt hat. 
Doch giebt Dürer darum den inneren Gehalt, die geiftige 
Bedeutung des Kunftwerkes nicht auf. Er hört nur auf 
damit zu fpielen, indem er Form und Inhalt zufammendrängt. 
Ohne flch zu blähen und zu recken, wachfen f0 feine Geftalten 
von innen heraus riefengrofs und ideengewaltig. 
 Als flch nun Dürer in diefem Sinne noch auf eine letzte 
künftlerifche That befann, gedachte er zugleich fein Votum 
abzugeben über die Richtung, die er in den kirchlichen 
Wirren der Zeit eingehalten Wiffen wollte. Alle die Gegen- 
fätze, welche in ihm felbft gerungen und feine Seele bedrängt 
hatten, wünfchte er zu verföhnen, indem er die äufserften 
Parteien, die nun in feinem Gefichtskreife gegen die Reform 
ankämpften, gleicherweife ablehnte. Mit den bePren Männern 
feines Volkes ahnte er, welches Verhängnifs aus folcher
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.