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XVI.
Reformation.
Die
es iit das letzte bedeutfame Aufilammen feiner Schaffens-
luit vor ihrem Erlöfchen. Jede der beiden langen Tafeln
zeigt nur die Geftalt je eines, in fchlichter alter Weife
gleichmäßig auf beiden Füfsen {lebenden Apoftels und da-
neben die Büfte {eines fonft verdeckten Begleiters. In diefer
Einfachheit der Anordnung wirken die Bilder blos durch
den mächtigen Wurf der Gewandung und durch den ge-
waltigen Ausdruck der Köpfe, auf deren Stirnen die kühnite
That des deutfchen Volkes gefchrieben fteht die Refor-
mation!
Seit einem Jahrzehnt fchon gefiel {ich Dürer in der
Darffellung von Apoftelköpfen, die er mit erflaunlicher Liebe
durchzubilden wufste. Köftliche Beifpiele davon {ind die
1516 in Wafferfarben auf feine Leinwand gemalten Bilder
der Heiligen Philippus und jacobus in der Galerie der
Ufhzien in Florenz. Jeder der beiden Apoftel zeigt dort
ein Antlitz von ganz individuellen Formen und doch fmd
es offenbar keine blofsen Naturftudien, vielmehr mit Be-
nutzung folcher und mit Rückflcht auf die darzuftellenden
Charaktere componierte Köpfe. S0 hat Dürer fchliefslich
den Stil verftanden; er folgte keinem allgemeinen Gefchmacks-
princip, keinem Typus, noch auch, wie er wohl zuweilen
früher gethan hatte, einem beftimmten Naturgegenftande,
fondern er fchuf aus zerflreuten Elementen für jede hifto-
rifche Perfönlichkeit ihr eigenes Ideal daher die realiffifche
Mannigfaltigkeit bei aller fchlichten Formengröfse. Diefer
theils auf Anfchauung, theils auf Speculation begründete
Vorgang läfst fich nach den dazu benützten Studien auch
für die Köpfe der vVier Apoflele nachweifen. Ein Natur-
Pcudium zum Kopfe des lVlarcus, lebensgrofs mit Kreide auf
bräunlich getünchtes Papier leicht fkizziert und mit 1526
bezeichnet, befindet {ich im königlichen Mufeum zu Berlin.
Die wenigen Lichter darauf {ind fehr gefchickt aufgefetzt;
das Geficht ift ausdrucksvoll, aber viel jugendlicher als im
Bilde, von hektifchem Ausfehen auf einem überlangen Halfe
Das Studium zum Kopfe des Paulus, ganz von der gleichen