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XVI.
Reformation,
Die
Wir wüfsten nicht, ob Dürer auch fonlt noch gegen
ähnliche Ausfchreitungen der Zeit in feiner nächften Um-
gebung anzukämpfen hatte, wenn nicht etwa das Bruchfiück
eines feltfamen Briefes auf einen widerfpänfiigen Schüler
oder einen fonfi wie von ihm abhängigen Gefellen bezogen
werden foll. Das Fragment befindet llCh auf der Rückfeite
eines Briefchens von Dürer an Pirkheimer, fcheint alfo in
der That an erfieren gerichtet gewefen zu fein 1). Der un-
bekannte, wie es fcheint geiftliche Gewiffensrath, der {ich
DNHHUS flavusa, der gelbe Zwerg nennt, läfst (ich da
folgendermaßen vernehmen: ßGebt ihm Brief und
Siegel, dafs er Euch nicht angreift. Straft ihn, dafs er nicht
fo böfe fei, weife werden wolle und Euch folgen. Will er
zürnen, fagt, Ihr habet es in der beften Abficht gethan.
Will er {ich nicht daran kehren, fo bittet ihn, als läget ihr
vor ihm auf den Knieen. Darnach verheifst ihm zehn-
taufend Rofenkränze und taufend Feiertage, zwanzig Metten,
Vefpern und was Ihr fonfi erdenken könnt; gebt ihm aber
nichts als Worte. S0 wird er {ich ohne Zweifel daran
kehren, Euch glauben und aufhören. Probatum estl Schmiert
Euch damitr. Solche Mittel freilich verfagten allgemach
ihren Dienft. Erfchütternd genug mochten aber die Ereig-
niffe um ihn her auf Dürers gläubiges Gemüth, auf feine
lebhafte Phantafie wirken. Ein Beifpiel der krankhaften
Aufregung, die ihn zuweilen überkam, ifl das Traumgeflcht,
welches Dürer in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1525
hatte. Des Morgens entwarf er dann ein Aquarell nach
der Himmelserfcheinung, die er gefehen hatte, und eine Be-
fchreibung derfelben. Es waren ungeheure Waffermaffen,
die wiederholt vom Himmel Helen wund fle kamen fo
hoch herab, dafs f1e fcheinbar gleichmäfsig fielen. Aber als
das erfie Waffer, welches das Erdreich traf, nahezu herab-
gekommen war, da Iiel es mit einer folchen Gefchwindigkeit,
I) An der Spitze
Dürercodex; abgedr.
des Dresdener
Dürers Briefe,
XVII und
1 80.