böfen Geifier
Die
Kirche.
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befchrieben werden, im Zufammenhange etwa mit derjenigen,
welche der fchwebende Engel am Altare feinem ponti-
flcierenden Genoffen bringt, denn die reizenden Engel, Welche
knieend, ftehend, lehnend, finnend und einander zuraunend
die Tafel umgeben, fcheinen freudig bewegt. Schwerer als
der ziemlich deutliche Sinn diefer Compofition ift die Be-
flirnmung derfelben zu errathen. Die Bemerkung Dürers
auf der Tafel: xDa fchreibt herein was Ihr wollte könnte
fo gedeutet werden, als habe der Meilier die Skizze für
einen anderen Maler gemacht und diefem zur Benutzung
überlaffen. Viel wahrfcheinlicher aber ifi es, dafs er den
Entwurf auf Beftellung oder im Einvernehmen mit jemand
Anderem, offenbar einem Gelehrten gemacht habe, dem er
die Zeichnung dann zur Begutachtung und zur Beifügung
der Infchrift überantwortete; vielleicht weil über deren
NVortlaut noch eine Meinungsverfchiedenheit oder Ungewifs-
heit beßand. Auch erfcheint mir die Zeichnung keineswegs
als die Skizze zu einem Gemälde; vielmehr ift fle, nach
Gegenftand und Compofition wie nach der technifchen Be-
handlung zu fchliefsen, zum Zwecke des Holzfchnittes ge-
macht. Dürer und fein Berather fcheinen es auf ein Flugblatt
abgefehen zu haben, das die Botfchaft eines nahenden Heiles
hätte in's Volk werfen follen. Es ift begreiflich, dafs das
allzukühne Wagftück nicht zur Ausführung kam. Für uns
aber hat das Blatt in Rennes darum eine folche Wichtigkeit,
weil wir aus demfelben erfehen, dafs Dürer, fo wie er mit
feinen Kupferflichen die humanifiifche Bewegung feiner Zeit
illuftrierte, auch den Anlauf genommen hatte, die kirchliche
Umwälzung mit populären Holzfchnitten zu begleiten und
mit einzuleiten. Bald machte das Auftreten Luthers folche
Pläne vollends hinfällig.
Am 31. October 1517 fchlug Martin Luther feine
95 Thefen an die Thüre der Schlofskirche zu Wittenberg,
derfelben Schlofskirche, in welcher Kurfürit Friedrich eine
Reihe der befien Gemälde Dürers verfammelt hatte. Seine
Stimme fand Widerhall im ganzen Lande, aber rafcher als