Volltext: Dürer (Bd. 2)

Kupferftichfolgen. 
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feiner früheften, kaum originalen Kupferfiichen und feither 
nicht wieder angewendet hat'). Welches der erübrigten 
zwei Temperamente Dürer hier noch darPcellen wollte, würde 
fich aus der Compofition fchwer erfchliefsen laffen, denn 
die Charakterifiiken der vier Complexionen haben zu allen 
Zeiten fehr gefchwankt; wir wiffen nicht, an welche Quellen 
Dürer und feine Rathgeber fich mögen gehalten haben und 
noch viel weniger, wie viel Freiheit fich ein jeder von ihnen 
dann noch erlaubt hat. Genug, dafs es {ich nur um eines 
der beiden beweglichen, thatkräftigen Temperamente handeln 
kann! Doch auch diefen Zweifel löfi, wie mir fcheinen will, 
Dürers Stich felbft, denn der Capitalbuchftabe S vor der 
Jahreszahl auf dem Täfelchen links unten kann wohl nichts 
anderes bedeuten als: Sanguinicus. 
Dafs Dürer die Folge, wie vieles Andere unvollendet 
liefs, fpricht nicht gegen die, bereits von Eye geahnte 
Annahme ihres Zufammenhanges. Vielleicht, dafs ihm die 
etwa durch Spengler veranlafste und dann doch als un- 
gefchickt erfchienene Hereinziehung des heiligen Hieronymus 
das Concept verfchoben hat. Der Gedanke, den populären 
Kirchenvater in feiner Häuslichkeit darzuftellen, war nicht 
neu. Abgefehen von anderen italienifchen und deutfchen 
Meiftern hatte Dürer ihn bereits in feinem vortrefflichen 
Holzfchnitte von 1511 (B. I 14) in ähnlicher Weife gefchildert. 
Neu ifi an dem Kupferfliche nur die farbige Stimmung, der 
poetifche Hauch, das Stillleben, in das der Heilige hier 
verletzt wird und vor welchem derfelbe nicht blos räumlich 
in den Hintergrund tritt. Dafs Dürer damals zu reinen 
Stimmungsbildern hinneigte, zeigt noch ein anderes Beifpiel. 
Er Pcach nämlich gerade im Jahre 1514 den kleinen Dudel- 
I) Es find die Madonna. mit der 
Heufchrecke, der Verlorene Sohn und 
das Meerwunder, Die genauen Meter- 
Mafse nach den Plattemändern lind: 
bei der Ivlelancholie: H, 0.24, Br, 0,19, 
S. Hieronymus: H. 0.247, Br. 0,19, 
Reiter: H. o_245, Br. 0,188, Die 
Unterfchiede ünd geringfügig, zumal 
wenn man bedenkt, dafs Dürer feine 
Stiche auf unbefchlnttenen Papier- 
bögen druckte und fo mit ganz breiten 
Rändern in den Handel brachte.
	        
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