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Niederländifche Reife.
des Mannes nicht mehr Platz fand, entwarf er mit den1
Pinfel auf einem anderen Blatte derfelben Sammlung den
Mann nochmals in derfelben Stellung und in kleinerem
Mafsftabe mit blofser Ausführung des linken Oberarms, und da-
neben vollendete er in Naturgröfse den Unterarm dazu fammt
der Hand, deren Zeigefinger auf das Segment einer Scheibe
weift. Dürer fcheint die GePcalt des feltenen Greifes fchon
irn Hinblick auf eine künftige Benutzung fo genau Pcudiert
zu haben. Von der gleichen Ausführung in clemfelben
Materiale. befitzt die Albertina die Draperie eines Frauen-
mantels auf dem KleiderPcocke, ein Lefepult mit grofsen
Büchern, ähnlich demjenigen auf dem geftochexien Bilclnifs
des Erasmus, und einen Todteilfchädel fammt dem Kinn-
backen feitwärts liegend, fammtliche drei Blätter mit dem
Monogramme und 1521 bezeichnet. Diefelbe Jahreszahl trägt
der Kopf eines anderen Greifes von ähnlicher Behandlung
wie der oben genannte im königlichen Mufeum zu Berlin. Von
vielen anderen Studien aus diefem Jahre fei nur noch ein
greinender Cherub in der Sammlung Hausmanns zu Braun-
fchweig erwähnt, der die Flügelchen, wie jammernd nach
vorne zufammenfchlägt, beinahe lebensgrofs mit Kreide auf
blaugrauem Grunde und mit dem Pinfel Weifs gehöht; von
Loedel geitochen. Das zum Weinen verzerrte Kindergeficht
ift fehr naturwahr im Ausdrucke. Bis zu welcher Vollendung
Dürer damals im Verftändniffe des weiblichen Körpers vor-
gedrungen war, zeigt namentlich eine Zeichnung im Befltze
von Mr. J. Malcolm in London, auf welcher der Act eines
Weibes in mittleren jahren zweimal linkshin gewandt, das
einemal mehr von vorne, das anderemal mehr von rück-
wärts dargeflellt ift; vermuthlich das Studium zu einer
Venus. Sie fchmiegt die Linke in den Schofs, und hält in
der Rechten einen Handfpiegel empor, in den fle blickt.
Die Ausführung mittels feiner Kreuzlagen in SilberPcift auf
mit der Jahreszahl 1519 aus dem
Cabinet Praulm, von Preßzel 1777 im
Gegenfmne geüochen, eine alte Nürn-
berger F älfchung.