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XIII.
Der
Künfiler
und
Menfch.
llIlS
hier
anfchaut
Wefentlichen
Dürers
eigenes
Antlitz.
Als Dürer jenes merkwürdige Münchener Selbilportrat
malte, fcheint ihm die Analogie doch vorgefchwebt zu haben;
daher vielleicht das unbedeckte Haupt trotz der Pelzfchaube,
die feierliche Haltung, die forgfaltige fymmetrifche Ausbreitung
des Haares auf den Schultern, der Weihevolle Ernft in den
Zügen! Dafs man in Nürnberg noch im fpäteren fechzehnten
Jahrhunderte die Sache nicht anders anfah, beweift ein
grofses Gemälde des bekannten Nachahmers von Dürer,
Johann Fifcher, in der Schleisheimer Galerie: die Ehe-
brecherin vor Chriftus, auf welchem der Kopf Jefu nichts
anderes ifl, als die getreue Copie des Münchener Selbfl-
porträtes von Dürer.
Dürer war {ich aber auch des Widerfpruches bewufst,
in den er {ich durch Einführung des neuen Chrifttiskopfes
mit der Tradition fetzte. Einen feltiamen Beleg dafür liefert
uns das Bruftbild eines Ecce homo in der Kunllhalle zu
Bremen. Das Gemälde ift ganz zuverläfflg mit der Jahres-
zahl 1514 bezeichnet und zeigt doch völlig den mittelalter-
lichen, altchriftlichen Typus Das Bildchen, ohne befondere
Vorzüge und mit dem bei Dürer öfter vorkommenden fo-
genannten falfchen Blick, ift vollkommen echt und gut
erhalten. Wie ifi diefe fpäte Ausnahme zu erklären? Keines-
falls dürfte Dürer freiwillig von der feit einem Jahrzehnt
ausgebildeten und feftgehaltenen Kopfbildung feines Chriflus
abgegangen fein. Hier müffen äufsere EinHüffe mafsgebend
gewefen fein; fei es, dafs es fich um den Erfatz eines älteren
Votivbildes handelte, fei es, dafs doch der Beiteller an dem
neuen Typus, als an einem unrichtigen und profanen, Anitofs
nahm und flch denfelben verbeten habe.
I) Büße H3 lebensgrofs, ganz von
vorne gefehen, auf fchwarzem Grunde
auf Holz, Meter: H. 0.195, Br. 0.175.
Haare aus der Stirn geßrichen, glatt
herahfallend, Bart fchlicht in zwei
Spitzen auslaufend, Heiligenfchein
kreuzförmig, dazwifchen Strahlen-
bündel, Gewand roth mit Goldfaum,
darauf: JHS. XPS. Rechts die echte
Jahreszahl und das Monogramm,