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XIII.
Der
Küniller
und
Menfch.
diefer Künfller feines Ruhmes würdig! Schon die Aus-
drücke des lebendigen Antlitzes, was {ie jetzt Conterfei
nennen, wie ähnlich hat er He wiedergegeben, wie unfehl-
bar, wie wahr! Und das alles verfolgte er fo weit, dafs er
zur KunPc auch die Begründung ihres Gebrauches in's Leben
rief die bis dahin unbekannt und zumal bei unteren Künft-
lern unerhört war. Denn wo gab es einen unter ihnen, der
von {einem Werke, wenn er gleich hohen Ruhm damit er-
langt hatte, auch zugleich die Begründung auseinanderfetzen
konnte, dafs es den Anfchein hatte, als hätte er mehr dürch
Wiffenfchaft, als durch einen glücklichen Wurf fein Lob er-
worbena I)!
Die Art wie Camerarius in diefer feiner liebevollen
Schilderung des Freundes den äufseren und den inneren
Menfchen mit dem Kiinftler in eins zufannnengreift, entfpricht
fo ganz der Anfchauung, welche wir heute noch, von Lmlerenx
entlegeneren, darum aber auch objectiveren Standpunkte über
die ganze Perfönlichkeit Diirers und über fein Schaffen ge-
winnen. NVie nur je bei einem Kiinftler, {o hängen bei
ilun Charaktereigenthümlichkeit und Production auf inniglte
zufamnlen. Eines ohne das Andere bliebe ganz unverftändlich.
Selbß der Cultus der eigenen Perfönlichkeit, auch in ihrer
äufseren Erfcheinting geht aus dem iimerften Welen Dürers
hervor und ragt bedeutfam an die höchften Aufgaben hinan,
die er {ich als Künfller geftellt hat. Dort begegnet er dem
Zuge zum reinPcen Ideale und wird ineiner Weile fruchtbar,
die den Begriff der Eitelkeit völlig ausfchliefst.
S0 mannigfach Dürer auch in feinen Gemälden, Kupfern
I) Ceterum nulla spurcities, nullum
dedecus in ipsius operibus exstat,
refugientibus scilicet talia omnia
castissimi animi cogitationibmls, O
dignum tali successu arteficem! Iam
expressiones viventium vultuum, quae
contrafacta nunc vocant, quam similes
conficiebat, quam infallibiles, quam
vems? Quae omnia eo consequebatur,
quod ad artem et rationem usum re-
vocarat, ignotam hactenus et inaudi!
tam pictoribus lwstratibus saltenm.
Quis enim illorum fuit, qui operis
sui, quo maximam quoque fan1an1
aaeptus esset, rationem explicare pos-
set, ut magis scientia quam casu
laudem invenisse crederelllr!