IOO
XIII.
Der Künftler lund
der
Menfch.
Endlich vereinigt fich die Sorge um Sicherung feiner Ur-
heberfchaft mit der Sucht nach Ueberlieferung des eigenen
Bildniffes und Dürer verfieht feine vier figurenreichften Ge-
mälde fowohl mit Monogramm und Jahreszahl, als auch mit
deutlicher Infchrift, als auch mit feinem Selbitporträt. Auf
dem Rofenkranzfefie und der lVlarter der Zehntaufend er-
fcheint er gar in Begleitung feines geliebten Freundes Pirk-
heimer; auf dem Himmelfahrtsbilde und der Allerheiligen-
tafel fieht er allein in ganzer Figur da. Freilich haben
auch andere Maler der Renaiffancezeit ihr Bildnifs gern in
ihren Compofitionen angebracht, meift aber fo, dafs fie
irgend einer aus dem Bilde herausblickenden Nebenfigur
ihre Gefichtszüge liehen. Dürer aber fiellt fich ftets als
unbetheiligte Perfon, abfeits von aller Handlung und mög-
lichlt auffallend hin, in feinem Sonntagsltaat, in der Hand
die Infchrifttafel, auf welcher er nie verfaumt, {ich einen
Deutfchen oder Nürnberger zu nennen; denn das Vater-
land, fo wie der Freund, follen theilnehmen an feinem
Ruhme.
Wieder ift es das Allerheiligenbild, welches uns die
ganze Gefialt Dürers in der Blüthe feiner Kraft am treuefien
aufbewahrt hat; fo wie lie unfer Titelkupfer, blos um ein
Drittel verkleinert, auch getreulich wiedergiebt. Mit diefem
Bildniffe mufs die Schilderung verglichen werden, welche
Joachim Camerarius, der erite Rector des von Melanchton
gegründeten Nürnberger Gymnahums, in der Vorrede zu
feiner lateinifchen Ausgabe der wProportionslehrer von
15 32 von Dürers Perfönlichkeit entworfen hat: wlhm hatte
die Natur einen Körper gegeben, anfehnlich in Bau und
Gliederung, entfprechend dem fchönen Geifte, den er ent-
hielt. Sein Kopf war ausdrucksvoll, die Augen leuch-
tend, die Nafe edelgeformt und: was die Griechen vier-
eckig nennen (d. i. gebogen), der Hals etwas lang, die Bruft
weit, der Leib fchlank, die Schenkel nervig, die Beine
ftramm. Nichts zierlicheres aber konnnte man fehen, als
feine Hand! Seine Rede aber war fo wohllautend und fo