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XIII.
Der
Künßler
der
und
Menfch.
er am 6. April 1520 ftarb, an demfelben Tage, an Welchem
Dürer acht Jahre fpäter ihm nachfolgte, vererbte er das
Bildnifs an feinen Lieblingsfchüler Giulio Romano. Diefer
hielt es gleichfalls hoch in Ehren und zeigte es xals ein
Wunderdingt dem Giorgio V afari, als ihn diefer fpäter in
Mantua befuchte. Dort fah es noch Joachim von Sandrart
in der Kunftkammer des Herzogs Seitdem ift es ver-
fchollen und wohl auch verfchwunden. So hat denn auch
Dürer Raphael vfeine Hand gezeigte indem er zugleich die
Gelegenheit ergriff, {ich felbfl ihm zu zeigen. Die beiden
feltenen Männer haben einander wenigflens vermittelft eines
Bildes in's Auge geblickt.
Mehr als bei jedem anderen Meifter der Renaiffance
fpielt das Selbftporträt in Dürers Thätigkeit eine Rolle.
Der Hang zur Selbfterforfchung, zur Vertiefung des eigenen
Wefens, der in Dürer ftets lebendig war, führte ihn auch
zur forgfältigen Beobachtung feiner äufseren Erfcheinung.
Gern und oft hat er das eigene Antlitz zum Gegenflande
feines Studiums gemacht. An die bereits erwähnten und
noch erhaltenen Bruftbilder von 1484, 1493 und 1498 reiht
flch das berühmte Selbftporträt in der Pinakothek zu München.
Vornehmlich in der Geftalt diefes Bildes lebt Dürer in der
Vorfiellung der Nachwelt fort. Wer kennt ihn nicht, den
herrlichen Mann, der baarhäuptig, das reiche braune Haar
in langen, wohlfriefierten Striemen auf die Pelzfchaube her-
abfallend, ganz gerade heraus uns anfchaut mit Weit
geöffneten Augen in tiefer Spannung, halb prüfend, halb
vifionär! Das gefcheitelte Haar läfst das Geficht auffallend
fchmal, den langen blofsen Hals mächtig erfcheinen; der
etwas überlebensgrofse Mafsliab erhöht noch den ernften
Ausdruck der edlen, regelmäßigen Züge. Das Auge iPc von
grünlicher Farbe, die vollen Lippen find im Gefchmacke
Dürers und wie es fcheint auch feiner Zeit ein wenig
zufanmiengezogen und vorgeftofsen. Die durch ihre Schönheit
Teutfche
Acadelnie,