94
XIII.
Der
Künfcler und
der
Menfch,
ziemlich genauer Befchreibung ein wgemaltes Tüchleinr, wie
Dürer felbft das nennt; auf einer fehr feinen, gefpannten,
ungrundierten Leinwand prima in Wafferfarben oder dünnen
Leimfarben mit ausgefparten Lichtern derart ausgeführt,
dafs es auf beiden Seiten der Leinwand {ichtbar war. Der
gleichen, von Dürer öfter angewendeten, aber wenig dauer-
haftenTechnik begegnen wir an drei "Studien, welche aus
dem Befitze des Abbe de Marolles an die Nationalbibliothek
in Paris gekommen find; zwei davon ftellen den Kopf eines
etwa fünfzehnjährigen Knaben dar, einmal von der rechten,
"das anderemal von der linken Seite lebensgrofs, die dritte
das Bruftbild einer Frau in den vierziger Jahren, zwei Drittel
lebensgrofs, nach abwärts blickend 1) fammtlich auf
fchwarzern Grunde und Pcark verblichen. Beffer erhaltene
Beifpiele werden wir noch in den Köpfen der Apoftel
Philippus und Jacobus von 1516 in den Uftizien zu Florenz
kennen lernen. Ein eigenthümliches Specimen davon ift
auch der lebensgrofse Knabenkopf mit dem langen, wie es
fcheint, angebundenen Barte, datiert 152 7 in der Zeichnungen-
fammlung des Louvre K1). Die Sicherheit diefer Ausführung
war für Raphael ein Gegenftand der Bewunderung 3). Als
tiative ergriffen habe, ifl durchaus
unwahrfcheinlich. Was hatte er in
Nürnberg bis 1515 von Raphael ge-
fehen, um fich zu folch' einer weit-
gehenden Huldigung veranlafst zu
finden? Anderfeits hätte doch Ra-
phael darauf nicht blos mit einigen
Studienblättern antworten können.
Ganz anders natürlich, wenn er, der
Jüngere, Dürer mit feinen Zeichen-
proben überrafchte. Da mufste llCh
Dürer freilich hoch geehrt und zu
einer reicheren Gegengabe aufgefor-
dert fühlen.
I) Abbildung in Photogravure von
Goupil in unferer franzöfxfchen Aus-
gabe Tafel zu S. 362.
2) F. Reifet, Catalogue I, Nr, 499.
Camerarius a. a. O, befchreibt als
Augenzeuge die Malung eines folchen
Männerkopfes durch Dürer: wNos
viri barbatam imaginem, ita ut dixi-
mus, in linteo statim ipso penicillo
nullis ante dispostis, ut assolet, de-
lineationibus ab eo expressaln quasi
attoniti spectavimus. Pili sunt barbae,
ferme cubitales, im exquisite et so-
lerter ducti, ita. ubique discrimine et
modo simiLi, ut quo quis melius artem
intelligeret, hoc magis cum admiratur,
tum incredibile duceret in illis efßn-
gendis nulla alia ope manum adiutam
fuissea,
3) Vafari VI1I, 35: xla quale cosa
parve maravigliosa a. Raffaelloa.