Volltext: Dürer (Bd. 2)

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XIII. 
Der 
Künfcler und 
der 
Menfch, 
ziemlich genauer Befchreibung ein wgemaltes Tüchleinr, wie 
Dürer felbft das nennt; auf einer fehr feinen, gefpannten, 
ungrundierten Leinwand prima in Wafferfarben oder dünnen 
Leimfarben mit ausgefparten Lichtern derart ausgeführt, 
dafs es auf beiden Seiten der Leinwand {ichtbar war. Der 
gleichen, von Dürer öfter angewendeten, aber wenig dauer- 
haftenTechnik begegnen wir an drei "Studien, welche aus 
dem Befitze des Abbe de Marolles an die Nationalbibliothek 
in Paris gekommen find; zwei davon ftellen den Kopf eines 
etwa fünfzehnjährigen Knaben dar, einmal von der rechten, 
"das anderemal von der linken Seite lebensgrofs, die dritte 
das Bruftbild einer Frau in den vierziger Jahren, zwei Drittel 
lebensgrofs, nach abwärts blickend 1)  fammtlich auf 
fchwarzern Grunde und Pcark verblichen. Beffer erhaltene 
Beifpiele werden wir noch in den Köpfen der Apoftel 
Philippus und Jacobus von 1516 in den Uftizien zu Florenz 
kennen lernen. Ein eigenthümliches Specimen davon ift 
auch der lebensgrofse Knabenkopf mit dem langen, wie es 
fcheint, angebundenen Barte, datiert 152 7 in der Zeichnungen- 
fammlung des Louvre K1). Die Sicherheit diefer Ausführung 
war für Raphael ein Gegenftand der Bewunderung 3). Als 
tiative ergriffen habe, ifl durchaus 
unwahrfcheinlich. Was hatte er in 
Nürnberg bis 1515 von Raphael ge- 
fehen, um fich zu folch' einer weit- 
gehenden Huldigung veranlafst zu 
finden? Anderfeits hätte doch Ra- 
phael darauf nicht blos mit einigen 
Studienblättern antworten können. 
Ganz anders natürlich, wenn er, der 
Jüngere, Dürer mit feinen Zeichen- 
proben überrafchte. Da mufste llCh 
Dürer freilich hoch geehrt und zu 
einer reicheren Gegengabe aufgefor- 
dert fühlen. 
I) Abbildung in Photogravure von 
Goupil in unferer franzöfxfchen Aus- 
gabe Tafel zu S. 362. 
2) F. Reifet, Catalogue I, Nr, 499. 
Camerarius a. a. O, befchreibt als 
Augenzeuge die Malung eines folchen 
Männerkopfes durch Dürer: wNos 
viri barbatam imaginem, ita ut dixi- 
mus, in linteo statim ipso penicillo 
nullis ante dispostis, ut assolet, de- 
lineationibus ab eo expressaln quasi 
attoniti spectavimus. Pili sunt barbae, 
ferme cubitales, im exquisite et so- 
lerter ducti, ita. ubique discrimine et 
modo simiLi, ut quo quis melius artem 
intelligeret, hoc magis cum admiratur, 
tum incredibile duceret in illis efßn- 
gendis nulla alia ope manum adiutam 
fuissea, 
3) Vafari VI1I, 35: xla quale cosa 
parve maravigliosa a. Raffaelloa.
	        
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