Raphael und
die Italiener.
nEin
Gebet.
O, allmächtiger Herr und Gott!
Die grofs Matter, die glitten hot
Jesus, dein eingebornel" Sun,
Da. mit er für uns g'nug hat thun,
Die Utrachten wir mit Innigkeit;
O Herr, gib mir wahr' Reu und Leid
Ueber mein Sünd und beffel" mich,
Defs bitt' ich ganz mit Herzen dich;
Herr, du hafi: Ueberwindung thon,
D'rum mach' mich theilhaft des Siegs Krom
Die Verfe find nicht fchlechter als die meifien anderen
aus jener Zeit und wir dürfen den Maler für die Dürre,
welche damals eben in der deutfchen Poefie herrfchte, nicht
mit verantwortlich machen. Doch hat Dürer, foviel wir wiffen,
das Verfekleiftern über das Jahr 1510 hinaus nicht fort-
gefetzt. Er müfste ja kein richtiger Deutfcher gewefen
fein, wenn er der Verfuchung dazu ganz widerftanden hätte.
Doch wie nach ihm fo mancher Andere, ift auch Dürer als-
bald von fchlechten Verfen zu nützlicher Profa übergegangen.
Ein merkwürdiges Zufammentreffen ift es, dafs gerade zu
derfelben Zeit wie Dürer auch Raphael feine einzigen, uns
bekannten poetifchen Verfuche macht. Die fämmtlichen
fünf, uns überlieferten Sonette von ihm ftammen aus dem
Jahre I5o9_I0. Sie athmen aber nur glühende Liebes-
fehnfucht, volles Liebesglück 1). Auch Raphael hat fich
ferner nicht mehr mit Dichten befafst, fondern vielmehr mit
archäologifchen und ähnlichen Forfchtingeii. Zur litterarifchen
Ausmünzung feiner theoretifchen Studien follte dagegen
RaPh-Elel nicht gleich Dürer gelangen. Ihm, dem wGöttlichenr
follten auch die Jahre der Profa erfpart bleiben. Ja dem
Göttlichen! fo hat man den glücklichen Jüngling genannt.
An Dürer aber ift nichts göttlich er iPc blos durch und
durch menfchlich!
I) Am Meilen zufammengeüellt bei
Herm. Grimm, Das Leben Raphaels,
1 872, Berlin,
362.