Michcl
Wolgemut.
die oberrheinifche Schule den Gipfelpunkt ihrer Blüthe er-
reicht, bei Martin Schongauer von Colmar. Obwohl Schon-
gauer blos um ein Jahrzehnt älter gewefen fein kann als
Wolgemut, läfst doch die Gleichartigkeit feiner zahlreichen
Kupferftiche auf frühzeitigen Abfchlufs einer rafcheren künft-
lerifchen Entwickelung fchliefsen. Durch die Sicherheit feines
Wollens mufste er dem fuchenden Nürnberger Maler weit
überlegen fein. Eine perfönliche Berührung zwifchen Beiden
ift für die YVanderjahre Wolgemuts unbedingt anzunehmen,
nicht fowohl wegen feines vielfachen Eingehens auf die
Formenfprache Meifler Martins, als vielmehr wegen feines
innigen Anfchluffes an das technifche Verfahren deffelben
im Stiche und in der Malerei. Daher die vielen wohlver-
ftandenen Copien Wolgemuts nach SchongauersiStichen, die
in guten Drucken den Originalen faft gleichwerthig flnd.
Von den Holzfchnitten zeigt gleich das vorzügliche erfte
Blatt des Scl1atzbehalters,]efus vor dem Throne Gott Vaters,
die Benützung des Kupferfiiches: Krönung Mariee von Schon-
gauer namentlich in der Draperie.
Eine felbftändige Compofition Wolgemuts von nicht
geringer Meifterfchaft zeigt ein Kupferflich in der Sammlung
des Mr. Richard Fifher in London, darftellend die Ver-
kündigung Mariae in einem altdeutfchen Gemache mit per-
fpectivifchem Ausblicke durch das Fenfter des Hintergrundes
auf den Marktplatz einer Stadt, unten in der Mitte mit W
bezeichnet i). Eine ungemein anfprechende Compofition, fein
gezeichnet und forgfaltig ausgeführt. Mit Recht wurde von
Sidney Colvin die Aehnlichkeit des Engels mit den in der
Schedeffchen Weltchronik vorkommenden hervorgehoben.
Die früheften, Michel Wolgemut bisher und mit gutem
Grunde zugefchriebenen Gemälde find die vier grofsen
'l) Bartfch, Nr, 72.
2) In Hcliogravure von Amand
Durand abgebildet im Kataloge der
Sammlung Fifhers und bei Sidney
Colvin, Albert Dürer, his Teachers
etc. Thc Portfolio, London 1877.
Tafel zu S, 188,