Volltext: Dürer (Bd. 1)

Wanderjahre. 
doch zeugt die Mundart des Spruches für den oberdeutfchen 
Stecher. Die technifche Behandlung der Platte erfcheint zu 
einer ilngewöhnlichen Zartheit vollends in denjenigen Blättern 
ausgebildet, in denen Wolgemut Stiche des fogenannten 
ßMeifters von 1480i oder wom Amfterdamer Cabineti mit 
Erfolg reproduciert. Es lind dies das {itzende Liebespaar, 
die tiirkifche Familie, und der vom jungen NVeibe unterjochte 
Greis mit der Infchrift: NESELl). Diefe Blätter ünd ge- 
treue Nachbildungen bekannter Originale jenes bedeutendften 
Stechers aus der EykTchen Schule; fie ahmen völlig deffen 
duftige Modellierung mittelft haarfeiner Strichelchen nach. 
Die {ichere Handhabung der jenem Meißer ganz eigenthüm- 
lichen Art von kalter Nadelarbeit durch Wolgemut fetzt 
vielleicht doch irgend welche perfönliche Berührungspunkte 
voraus, denn von aller Kunftübung pflanzt {ich blos mittel- 
bar nichts fo fchwer in die Ferne fort, als ein technifches 
Verfahren. 
Ungleich mehr aber als der Hämifchen Schule felbft 
folgte Wolgemut jener Formenauffaffung, welche urfprüng- 
lich von Rogier van der Weyden ausgehend am Oberrhein 
Wurzel gefafst hatte. Dort war wohl fchon in Wolgemuts 
Wanderjahren die Werkftatt des berühmten Meifters E S 
vom Jahre I466 in Thätigkeit. Grofses wurde dafelbft auf 
kleinen Flächen geftaltet. Die Gefühlsweife des alten Stiles 
war noch nicht erlofchen, ja eine gewiffe weiche Empfind- 
famkeit pflanzte fich, aus der Kölnifchen Schule kommend, 
in diefer älteften fchwäbifchen fort; aber eine frifche Natur- 
auffaffung belebt ihre mageren zarten Geftalten, die mit 
Vorliebe in die Tracht der Niederländifchen Mufter gekleidet 
werden. In zweien feiner Stiche entlehnt der MeiPter E S 
geradezu Compofitionen von Rogier van der Weyden. Sorg- 
fältig ausgeführte Gemälde diefer Schule laffen fich nur 
wenige nachweifen; faft ausfchliefslich bleibt der Kupferftich 
das Mittel ihrer Daritellung, auch bei jenem Meifter, in dem 
Bartfch, 
Nr 43; 
Paffavant,
	        
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