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Wolgemut.
Michel
Gott verliehenen Fleifsea bei lxVolgemut lernen konnte, und
zu diefem Behufe müffen wir uns zunächft fragen, was Michel
Wolgemut felbPr geleiftet hat.
Diefe Frage zu beantworten unterlag ganz befonderen
Schwierigkeiten. Wenn wir uns mit noch unzulänglichen
Hilfsmitteln daran wagten, fo gefchah es in der Ueber-
Zeugung, dafs diefer Verfuch zur weiteren Verfolgung unferes
Gegenflandes unabweislich ift. Unfere Beantwortung will
in keiner Hinficht auf Vollftändigkeit Anfpruch machen, eher
dürfte diefelbe nach mancher Seite der Berichtigung bedürfen.
Vielleicht dafs dadurch mittelbar doch einer befferen Wür-
digung des Meifters vorgearbeitet ift und Andere dann
glücklicher in der Löfung der hier noch obfchwebenden
Räthfel fein werden. Vorläuüg verfuchten wir es, die Stelle,
welche Wolgemut in der deutfchen Kunftgefchichte ein-
nehmen mufs, fo weit auszufüllen, als es nothwendig ift, um
das Wachsthum Dürers daraus ableiten zu können.
Was die Gemalde Michel Wolgemuts anbelangt, fo
dürfen wir uns nicht durch die Unzahl mehr oder minder
roh angeftrichener Bretter beirren laffen, die in Nürnberg
und anderwärts mit feinem Namen bezeichnet werden.
Solcher blofs handwerksmäfsiger Erzeugniffe des Pinfels hat
jede deutfche Malerfchule eine ziemliche Anzahl aufzuweifen,
und wenn die Nürnberger Schule des XV. Jahrhunderts
reicher daran erfcheint als andere, fo erklärt flch das leicht
aus ihrer maffenhaften Production. Was wir bisher von
Gemälden in Ermangelung jeder Signatur mit einiger Sicher-
heit auf Wolgemuts Werkfiatt zurückführen können, be-
fchränkt {ich auf einige grofse Altarwerke, an denen wieder
die Grenze der eigenhändigen Betheiligtlng des Meifters bei
der Ausführung Gegenftand des Zweifels ift. Wolgemut er-
fcheint eben meift als Unternehmer, der feine Kunft zwar
in grofsem Mafsftabe, aber auch mit Hilfe vieler fremder
Kräfte ausübt, fo dafs es fchwer wird, feine eigene Hand
dabei zu verfolgen. In dem Gefchäftsmanne geht aber doch
der Künftler nicht unter; in all' der Maffenproduction waltet