Holzfchnitte.
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Holzfchneider, zum handwerksmäfsigen Techniker erklären
und fo fein Verdienft an der grofsen Publication fchmälern.
Demgemäfs hat flch allmählich die Anficht feftgefetzt,
als hätte Dürer bei Wolgemut nicht viel lernen können.
Das Verftändnifs feiner Entwickelung ward dadurch wefent-
lich erfchwert, die ganze Erfcheinung Dürers ward zum
Räthfel; denn nichts begreifen wir fchwerer, als eine Reihe
von bedeutenden Thatfachen, deren Anfange wir nicht
kennen. Allerdings trug zu jener Auffaffung die Art bei,
in welcher Dürer über feine Lehrzeit bei Wolgemut berichtet!
wln der Zeit verlieh mir Gott Fleifs, dafs ich wohl lernte,
aber viel von feinen Knechten leiden mufster Statt auf
den Vorderfatz hat man bisher zumeift auf den Nachfatz
diefer Mittheilung den Nachdruck gelegt und die Sache fo
aufgefafst, als hätte Dürer bei Wolgemut mehr fchlechte
Behandlung als guten Unterricht erfahren. Dagegen ift zu
bemerken, dafs {ich Dürer nirgends über feinen Lehrmeifter
beklagt, vielmehr bis an fein Lebensende in freundfchaftlichen
Beziehungen zu ihm geftanden hat. Dafs aber ein Lehr-
knabe unter rohen Gefellen einer Werkftatt zu leiten hatte,
war gewifs zu jener Zeit fo wenig etwas Ungewöhnliches,
wie es etwa heutzutage noch etwas Seltenes ift. Man denke
nur an das Loos der kleinen Schützen bei den fahrenden
Schülern! Die Bedeutung jener Nachricht liegt nicht fowohl
in der ficher ganz gewöhnlichen Thatfache, die fie enthält,
fondern vorzüglich in der Perfönlichkeit des Berichterftatters.
Das Wichtige und Neue daran ift nur der tiefe Eindruck,
den die unwürdige Behandlung in einer zarter befaiteten
Seele zurückliefs; es ift eben der moderne Menfch, der fich
gegen die ererbte Rohheit empört; der zum Bewufstfein
perfönlicher Würde gelangte Bürger, der die als Kind er-
littene Schmach noch im Mannesalter nachempündet. Uns
aber gilt es, zu unterfuchen, was Dürer mit dem xihln von
I) Dürers Briefe, 74, I2 mit An-
merkung über die ungenaue Ueber-
der
lieferung
Stelle.