Nürnberg,
Johann Staupitz fchreibent vAlles Regiment unferer Stadt
und gemeinen Nutzens Pceht in Handen der, fo man Ge-
fchlechter nennet, das fein nun folche Leut", dero Ahnen
und Urahnen vor langer Zeit her auch im Regiment geweft
und über uns geherrfcht habem Und Alvife Mocenigo
fagt in feiner Schlufsrelation über feinen Aufenthalt an dem
Hofe Karls V. 1548: Nürnberg werde im Gegenfatze zu
allen anderen deutfchen Reichsitädten von adeligen Ge-
fchlechtern regiert, deren dort blofs 28 beftünden, und er
fügt hinzu: vdiefe Stadt geniefst den Ruf, {ich beffer zu
regieren, als jede "andere in Deutfchland, weshalb fie auch
von Vielen das Venedig Deutfchlands genannt wirdr
wohl das höchfte Lob im Munde eines venezianifchen Staats-
mannes2). Gleich den Nobili von Venedig befolgten aber
auch die Patrizier Nürnbergs jenen Grundfatz, der einer
herrfchenden Claffe allein ihre Macht auf die Dauer fichert
und der in dem Satze gipfelt: Strenge gegen {ich felbft und
Milde gegen die Regierten. Wohl machte es Auffehen in
der ganzen Welt, als im Jahre 1469 Nicolaus Muffel, das
Haupt einer der angefehenften Familien, geehrt von Papft
und Kaifer, zur Zeit erfter Lofunger und ErPcer im Rath,
wegen Diebftahls an dem gemeinen Schatze der Stadt an-
geklagt und nach kurzem Proceffe gleich dem gemeinflen
Verbrecher am Galgen aufgehängt wurde 3). Und als Helena
I) Die Chroniken der fränk Städte,
Nürnberg I und V, 791.
2) Fontes rerum Austriacarum, Di-
plomataria XXX, 69H. Schon 1506
fchreibt Chrißoph Scheurl: vUnde
etiam civitati magnae acccdunt divi-
tiae, et tantum apud Germanos no-
men: quantum Venetiis apud Italos.
Unde etiam Venetia Teutonica. cogno-
minata estß Libellus de laudibus
Germaniae. Dafelbß; auch die Nach-
richt, es gebe in Venedig ein Sprüch-
wort: alle Städte in Deufchland feien
blind, nur Nürnberg fehe auf Einem
Auge: nGermaniae civitates cecas
esse: Norimbergam vero monoculamu
die Ulrich von Hutten in feinem
Sendfchreiben an Pirkheimer 1518
wiederholt.
3) Gefchichte des Proceffes: Chro-
niken der fränk. Städte. Nürnb, V,
753 ff. In dem Rechtfertigungsfchrei-
ben, welches der Rath an die Rö-
mifche Curie {enden zu mülTen glaubte,
heifst es u. a. vmostri majores insti-
tuerunt judices, ut par et equa foret
inter omnes dispensatio justicie, que
magis quid actum sit, quam quis
egerit inspiciatß Dafelbfl, 77I.