Volltext: Dürer (Bd. 1)

Die erflexl 
Maler Fchulelm. 
deutfchen 
kömmt es, dafs wir gerade in den Denkmälern diefer, damals 
noch nicht blos reproducirenden Techniken unfere monu- 
mentale Kunft zu fuchen haben 1). Das lineare Zeichnen 
führte zu deutlicher und beftimmter Erfaffung der Formen. 
Das Aufgeben des F arbenreizes beraubte die Malerei ihrer 
mehr mufikalifchen Hilfsmittel zur Wirkung auf die allgemeine 
Gemüthsftiiwnnung. Erfatz dafür bot ihr die Einführung ge- 
klärter, bereits durchempfundener Ideen in die Compofltion. 
Die Malerei erhob {ich dadurch in den Rang der Poefie; fie 
lieh nicht blos den Stimmungen, fondern zugleich auch den 
Gedanken derZeit beredten Ausdruck. 
In dem Mafse als der geiftige Inhalt des Mittelalters 
{ich verflüchtigt hatte, waren Kunft und Litteratur gleicher- 
weife in die bürgerlichen und bäuerlichen Schichten des 
Volkes herabgeltiegen. Wie die ftreng kirchlichen Bauformen 
hatte {ich auch das nationale Epos ausgelebt, das feinen 
Stoff aus nebelhafter Ferne entlehnte und in der Form 
abenteuerlicher Erzählung nur das gläubige Ohr befriedigen 
konnte. Das deutfche Volk ward der endlofen Vorfpiegelung 
einer befferen Zukunft und Vergangenheit gleich müde und 
kehrte in der verhältnifsmäfsigen Ruhe und Abgefchloffenheit 
des XIV. und XV. Jahrhunderts zu {ich felbft und zur 
Gegenwart zurück. Der Sinn des Auges begehrte nun fein 
Recht; man fah {ich um im eigenen Haufe, in Staat und 
Kirche, in Tracht und Sitte. Das Subject begann fein eigenes 
Object zu werden, und ganz bezeichnend wählte man daher 
für populäre Bücher den Titel eines Spiegels, als Sachfen- 
fpiegel, Gnadenfpiegel, Eulenfpiegel. Und wie die Litteratui" 
felbft immer mehr in Bezug auf ein fchaulußiges Volk trat, 
Pcatt, wie früher, auf eine hörluftige Gefellfchaft, fo mufste 
{ie auch einer von der Kirche ganz unabhängigen malerifchen 
Thätigkeit Vorfchub leiPten. Man freute fich, Häufer, Geräthe 
und Bücher mit bildlichen Darftellungen zu fchmücken, 
l) Vergl. A. Springer, der alt- 
deutfche Holzfchnitt und Kupferfiich 
in: Bilder aus der neueren Kunß- 
gefchichte, 171-206 u. 
Dürers Kunfilehre, 36, 
v. Zahn,
	        
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