Marienleben.
Das
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Sehr gelungen ift auf der anderen Seite Jofeph, der, eine
Gabe bereits in der Hand haltend, über die Schultern Mariens
vorfichtig und neugierig auf die Könige herabblickt. Im
Hintergrunde noch der Trofs der Könige und zwei theil-
nehmende Hirten, in den Lüften drei Gloria {ingende Eng-
lein. Der Gegenftand war allerdings fchon von den Vor-
gängern Dürers, namentlich von den niederländifchen Meifiern,
mit Vorliebe bearbeitet, nirgends aber glücklicher als in
diefem einfachen Holzfchnitte. Die Figuren fmd fo gefchickt
angeordnet, jede derfelben durch einen fo beftimmten Aus-
druck belebt und mit der anderen in Beziehung gefetzt,
dafs alle wie mit einer Art innerer Nothwendigkeit an
einander gebunden erfcheinen. Trotz der geringen Hülfs-
mittel ifi die Handlung bis in's Einzelne motiviert, und die
Grundftimmung entfpricht nicht nur dem Vorltellungskreife,
aus dem die Darftellung entnommen ift, fondern auch über
die bedingte Verftändlichkeit hinaus den allgemein menfch-
lichen Gefühlen; nichts bleibt daran zufällig oder gleich-
giltig. Nur die gröfsten Meifier, wie Mafaccio oder Lionardo,
verftanden es, ihrer Compofition eine folche Fülle von Energie
einzuflöfsen und die Geftalten ihrer Phantafie in dem Mafse
zu befeelen, dafs deren geiitige Beziehungen zu einander
für den Befchauer klarer zu Tage treten, als es eine ge-
gebene Wirklichkeit je zu bieten vermöchte.
Auf der Darbringung im Tempel (B. 88) überrafchen
die mächtigen Säulen mit flachen Bafen und Weinlaub-
capitälen, die ein maffives, im Innern des Tempels frei-
liegendes Gebälke tragen. Der Zweck deffelben ift nicht
abzufehen; es mag vornehmlich theoretifchen Studien in
den halbverftandenen Büchern der Alten feinen Urfprung
verdanken. Die Flucht nach Aegypten (B. 89) ifi ftark von
dem Kupferitiche Martin Schongauers beeinflufst bis zu der
Palme und anderen exotifchen Gewächfen und zu der Ge-
ftalt des Efeleins. Das reizendfte Blatt der Folge iPc ohne
Zweifel die Ruhe in Aegypten (B. 90), wo die Eltern durch
Arbeit ihr Leben friften. In einem Gehöfte, aus dem man