und
Phyüognomifche
Porträtftudien.
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fprilchsvollen, minutiöfen Technik zum Opfer fallen. Die
tiefere Erfaffung des Porträtfhldiums aber iPc die Grundlage
moderner Hiftorienmalerei. Kann das Menfchenantlitz erft
die pfychifchen Vorgänge, die Keime der Willensäufserung
wiederfpiegeln, dann folgen die Körper leicht den Motiven,
die fie zu einheitlicher dramatifcher Verbindung rzufammen-
fchliefsen. In der Bewältigung des phyfignomifchen Aus-
druckes liegt der Schlüffel zu jenem unerfchöpflichen Reich-
thume in der Compofition, der den lombardifchen Maler
Loinazzo zu dem Ausfpruche bewog, iDürer habe allein
mehr erfunden, als alle anderen Meifter zufammengenommena 1),
Von den mythologifchen und allegorifchen Darftellungen.
in denen fich Dürer eine Zeit lang gefallen hat, wendet er
{ich immer entfchiedener ab. Die ganze Fülle feiner Pro-
duction ergiefst fich in den volksthümlichen biblifchen Gegen-
ftänden. Wie alles, was aus der vollen Tiefe einer Menfchen-
feele erzeugt ift, hat auch die Urfprünglichkeit Dürers in
feinen Darftellungen vom Leben jefu ihre gewaltige Wirkung
auf die Zeitgenoffen nicht verfehlt, auch nicht auf die italieni-
fchen Meifter. Dürers Kupferftiche und Holzfchnitte fanden
frühzeitig ihren Weg nach Italien und verbreiteten dort
feinen Ruhm. Von feinen älteften Stichen waren es ins-
befondere die landfchaftlichen Hintergründe, welche die
italienifchen Meifter fo anfprachen, dafs fie diefelben zur
Zierde der eigenen Compofitionen entlehnten 2). Von den
I) Trattato, Lib, V. Cap. 2.
2) z. B, die Landfchaft aus der
Madonna mit der Heufchrecke B. 44
auf dem fogenannten Campagnola
B. XV. 539 S. Ottilie; aus dem
grofsen Hercules B. 73: der ganze
Hintergrund bei Robetta B. 24; die
Burg combiniert mit der auf dem
Euftachius B. 57, bei AgoPcino Vene-
ziano B. 409, während das Schiff
dafelbfc aus dem nMeerwundera B.
7I flammt; die Baumgruppe mit der
linken Hälfte der Landfchaft auf dem
fogenannten Marcanton B. 484; vergl.
auch oben S, 225 Anmerk. I. Eine
frühe Nachricht bei Wimpheling, nach
welcher Gemälde Dürers nach Italien
exportiert worden wären, beruht wohl
nur auf einem Mifsverüändniffe; er
fagt von Dürer: Nurenbergae imagines
absolutissimas depingit, quae a mer-
catoribus in Italiam transportantur et
illic a. probatissimis pictoribus non
minus probantur quam Parrhasi et
Apellis tabulaeu. Grimm, Ueber
Kiinüzler II. 224. Es gab eben kein