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Der
We ttfireit
Jacopo
dei Barbari.
dreifsig bisher befchriebenen Kupferftiche, berichten uns von
einem urfprünglichen Herkommen aus der Schule Mantegnas
mit jener Erweichtlng und Verfeinerung der Formen in der
Richtung der Bellini, welche den Stadt-Venetianer kenn-
zeichnet. Daher auch die Armuth an Erfindung, das Ge-
nügen an Einzelfiguren oder ganz einfachen Compofitionen
ohne befondere Ausführung der Hintergründe. Die reali-
ftifchen Elemente, die zugleich im Wefen der venetianifchen
Malerei liegen, erhielten bei Barbari noch ganz befondere
Nahrung durch feinen längeren Aufenthalt im Norden. Der
Hang zur Subtilität und der Ausdruck einer zarteren Empfind-
fanikeit, die ihm ganz eigenthümlich find und ihn namentlich
von allen feinen Landsleuten unterfcheiden, liefsen die ver-
wandten Tendenzen der germanifchen Kunft um fo mächtiger
auf ihn wirken. Und wie ihn deren Grundftimmung anheimelte,
fo folgte er ihr auch in der Anwendung der äufseren Mittel
und bildete feine verfeinerte Technik nach ihren Vorbildern.
In feinem Plane von Venedig bemächtigte er fich, der erfte
unter den Italienern, der Fortfchritte der deutfchen Holz-
fchneidekunft. Auch in feinen Kupferftichen bediente er fich
keineswegs des kräftigen ftrammen Vortrages mit den kurzen
fchrägen Strichlagen, wie ihn Mantegna in Oberitalien begründet
hatte, er knüpfte vielmehr an die durchflchtige, feine und
fpitzige Stichweife der deutfchen Meifier feit Schongauer
an. Und ebenfo zeigen feine kleinen Tafelgemälde nichts
von einer breiteren italienifchen Behandlung. Bei beftimmter
klarer Färbung iPt die Ausführung äufserft fein, flüffig und
zart lafierend. Möglicherweife hat Barbari die Vortheile
der Oelmalerei und die intenfivere Handhabung derfelben
im Kleinen durch den Einflufs des Antonello da Meffina
frühzeitig in Venedig kennen gelernt; die volle Ausbildung
feiner Feinmalerei aber dürfte er doch erPt feiner Einbürgerung
in Deutfchland und Flandern verdanken.
Es kann kein Zufall fein, dal's Dürer gerade in den
Jahren, in welchen er nachweisbar unter dem Einüuffe
Jacopo de' Barbaris Pceht, {ich einer forgfältigen, fafl rniniatur-