Maler und Formfchneider.
265
lich die Züge der Meifierhand verletzte, defto unverfalfchter
kam diefelbe im Drucke zur Geltung. Das Schneidemeffer
konnte zwar an der Vorlage mehr oder weniger verderben,
verbeffern aber konnte es diefelbe nicht. Seine Wirkfamkeit
liegt fomit aufser dem Bereiche des fchaffenden Künftlers.
Was Dürer anbelangt, können wir diefen Sachverhalt
als Regel anfehen. Eine neuerliche Beweisführung an diefer
Stelle würde ungebührend viel Raum einnehmen, fxe ergiebt {ich
von felbft aus dem weiteren Verlaufe unferer gefchichtlichen
Darfiellung. Damit foll nicht geleugnet werden, dafs {ich
Dürer wohl auch ein und das andere mal im Holzfchneiden
verfucht habe. Ja er fcheint es nachmals für ganz felbit-
verfiändlich anzufehen, dafs der erfindende Künftler ftatt
zur Feder auch wohl zu Model und Aushebeifen greife, um
ein kleineres Werk rafch zu vollenden, indem er ausführt:
wdafs ein verftändiger, geübter Künftler in grober, bäurifcher
Geitalt feine grofse Gewalt und Kunit mehr erzeigen kann,
etwa in geringen Dingen, denn mancher in feinem grofsen
Werkx. wDaraus kommt fahrt Dürer fort dafs
Mancher etwas mit der Feder in einem Tag auf einen halben
Bogen Papier reifst oder mit feinem Eifelein etwas in
ein klein Hölzlein verlticht, das wird künftlicher und
beffer denn eines Anderen grofses Werk, daran derfelbe
ein ganzes Jahr mit höchfiem Fleifs macht; und diefe Gabe
ift wunderlich, denn Gott gibt oft Einem zu lernen und
VerPcand etwas Gutes zu machen, desgleichen ihm zu feinen
Zeiten Keiner gleich erfunden wird, und etwa lange Keiner
vor ihm gewefen und nach ihm nicht bald Einer kommte 1).
Doch befitzen wir kein glaubwürdiges Zeugnifs für Dürers
eigenhändige Bethätigung als F ormfchneider. Gerade die
wichtigPte Frage, ob Dürer feine Apokalypfe felbfi gefchnitten
oder doch fich am Ausfchnitte derfelben betheiligt habe,
1) Dürer, Proportionslehre, III
Buch, T. 2. Vergl. Zahn, Dürers
Kunßlehre, 103. Dem Wortlaute und
dem Zufammenhange nach kann die
Stelle nur auf Holzfchnitt und nicht
auf Holzfculptur bezogen werden.
Unter dem grofsen NVerke verfieht
dann Dürer das ausgeführte Gemälde.