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und
Die Apokalypfe
die frühen Holzfchnitte.
Auf der gleichen Höhe, wie die gedankliche und künft-
lerifche Erfindung von Dürers Apokalypfe fieht auch deren
technifche Ausführung. Dürer leitet damit eine neue Epoche
der Holzfchneidekunft ein. Nicht als ob er felbPc das Schneide-
meffer geführt und die Holztafeln für den Druck hergeftellt
hätte. Zu diefer Annahme liegt kein Grund vor. Man hat
zwar lange darüber geftritten, 0b die alten deutfchen Maler
ihre Zeichnungen auch eigenhändig in Holz gefchnitten hätten
oder nicht, und die Anhänger beider Meinungen haben ihre
Argumente zumeift aus Dürers Thätigkeit zu fchöpfen ge-
fucht. Die Vertheidiger der Eigenhändigkeit wollten wenig-
ftens einzelne Stücke als vom Meifter felbft gefchnitten an-
gefehen wiffen; und zwar wählten f1e dazu die gelungenften,
welche die urfprüngliche Zeichnung am getreueften wieder-
zugeben fchienen. Dies war offenbar der verkehrtefte Aus-
weg; denn die Technik des Holzfchneidens beruht fo fehr
auf einer andauernden Uebung der Hand, dafs auch der
gefchicktefte Zeichner oder Maler, der blos ausnahmsweife
das Schneidemeffer das damals vom Kupferftichel gar
fehr verfchieden war gehandhabt hätte, es dem geübten
Formfchneider niemals gleich, gefchweige denn zuvor gethan
hätte. Eher alfo könnte man die gefuchten eigenhändigen
Ausfchnitte der Maler unter den fchwächeren Blättern ihres
Holzfchnittwerkes finden. Wir dürfen indefs die Frage gegen-
wärtig als dahin erledigt anfehen, dafs das Technifche des
Holzfchnittes den in allen Städten zahlreichen F ormfchneidern
von Beruf überlaffen blieb und dafs der Maler, der erfindende
Meifier, eben blos die Zeichnung mit Feder, Pinfel oder
Stift auf den Holzftock brachte 1). Dem F ormfchneider lag
nur die, fo zu fagen negative Aufgabe 0b, die Zeichnung
von allein nicht zu ihr gehörigen todten Materiale zu be-
freien und fie fo zur Type umzugeftalten. je aufmerkfamer
und gefchickter er dies that und je weniger er dabei nament-
I) Vergl. Paffavant, Peintre-Gra-
veur I. 66-78. Die Litteratur des
Streites ifi; nochmals gut zufammen-
geftellt bei
Auflage, S.
YVoltmann, Holbein,
189. Anm. 2.