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Die Apokalypfe und die frühen Holzfchnitte,
Glaubens
oben
über
den
Wolken
vollzieht
und
darunter
die Verdunkelung von Sonne, Mond und das Herabfallen
der Sterne. Die Tröftung der armen Seelen derer, ßdie
erwürget waren um des Wortes Gottes willem , und die
Bekleidung ihrer Blöfse durch die Engel am Altare Gottes
iPr eine ungemein rührende Scene. Dürer weift fpäter im
Jahre 1521 auf die betreffende Stelle der Apokalypfe hin,
indem er fpricht von dem wunfchuldigen Blute, das der
Papft, die Pfaffen und die Mönche vergoffen, gerichtet und
verdammt haben: das fxnd die Erfchlagenen, unter dem
Altare Gottes liegend, und fie fchreien um Rache, darauf
die Stimme Gottes antwortet: Erwartet die vollkommene
Zahl der unfchuldig Erfchlagenen, dann will ich richtene 1).
Dafs aber Dürern bereits in den neunziger Jahren des
fünfzehnten Jahrhunderts eine ähnliche Deutung der Stelle
auf die kirchlichen Verhältniffe feiner Zeit nahe lag, beweift
der untere Theil der Compofxtion mit dem Strafgerichte
Gottes am grofsen Tage feines Zornes. Unter denen näm-
lich, die {ich verkriechen in den Klüften und fprechen zu
den Bergen und F elfen: wfallet auf uns und verberget uns
vor dem Auge deffen, der auf dem Stuhl fltzt und vor dem
Zorne des Larninesx fehen wir rechts nebft Kaifer und
Kaiferin den jammernden PapPc, den befiürzten Cardinal,
den Bifchof und den Mönch in der Kapuze. Zur Linken
aber iPc an einer Gruppe der Untergang der Völker dar-
geflellt; aufrecht {itzt dazwifchen nur noch ein Weib mit
{einem Kinde, das mit zornigem Blicke und weitgeöffnetem
Munde hinüber fchreit nach der hierarchifchen Gruppe. Es
iPc ein inhaltfchwerer Gedanke, dafs Dürer hier des Volkes
Fluch einer Mutter in den Mund legt.
Auch auf dem fechsten Blatte lind zwei Darflellilngen
die blos zeitlich und gedanklich mit einander zufammen-
hängen, in eins zufammengefafst: die vier Engel, welche den
Winden wehren, und die Verliegelung der 144,000 Heiligen i).
I) Niederländ. Tagebuch, Campes
Reliquien S. 132. Dürers Briefe 123.
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