Matter und Berufung Johannis.
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xfcharfen Schwertes, das aus {einem Munde gehte. Das
Hauptgewicht liegt hier bereits in der Gewandung, in der
Dürer {tets und grundfätzlich ein Hauptmittel des künft-
lerifchen Ausdruckes fucht. Sein Johannes fallt allerdings
nicht, der Schrift gemäfs und der Natur des Morgen- und
Südländers entfprechend, vals ein Todtere zu den Füfsen
des Herrn; er iit blos vorwärts gebeugt in die Knie ge-
funken. Wie plötzlich dies aber gefchah, zeigen nicht blos
die über die Stirne überhängenden Locken, fondern zumal
das breite Auffallen des Mantels auf den Boden nach vorne
hin. Die fcheinbaren Zufälligkeiten diefer Drapierung er-
zeugen die lebhafte Voritellung der ihr vorangegangenen
Bewegung und verrathen das Leben auch im vollfiändig
verhüllten Körper. Beim blofsen Anblicke diefes Johannes
fpüren wir, wie er horchend den Athem anhält und wie
fein Herz in Aengften pocht. So erfcheint uns auch die
Rechte Jefu, in der er die Heben Sterne hält, nur darum
fo gewaltig, weil in den Falten des weiten Aermels die
energifche Bewegung nachklingt, mit der die Hand nach
den Sternen gefafst hat. An den koloffalen lieben Leuchtern
lind die gothifchen Schnörkel Pcark von naturaliflifchem Laub-
und Aitwerk zerfetzt, doch zeigen He auch fchon, nament-
lich der äufserfle zur Linken, in Zierftäbeil und Profilen die
Formen des neuen Stiles.
Auf dem dritten Blatte fehen Wir oben die Pforten
des Himmelsbogens geöffnet. Mitten inne im Lichtglanze
einer Mandorla fteht der Stuhl Gottes; auf feinem Schofse
liegt das Buch mit den fieben Siegeln, die das Lamm löfen
wird; ringsum mit Kronen und Harfen die vierundzwanzig
Aelteften, deren einer dem zagenden Johannes Muth zu-
fpricht. Die T hiere mit den vielen Augen entzogen {ich
jeder befriedigenden DarPcellung, waren aber doch in diefer
Compofition ganz unvermeidlich. Dürer half [ich damit, dafs
er diefelben möglichit klein und unauffällig an ihre Stelle